bookmark_borderEmily Lloyd-Jones: The Bone Houses

Manche Bücher springen mich direkt auf den ersten Blick an – und von wegen, man soll ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen: Oft reicht mir das schon aus, um ein Buch haben zu wollen. Ein stilisierter Schädel aus keltischen Mustern, dazu ein Titel, der mich an alte Beinhäuser denken lässt, und da konnte ich dann auch verschmerzen, dass es wieder anstelle eines richtigen Klappentextes vor allem Lobesgesänge gab – The Bone Houses wurde gekauft. Die Prämisse klingt auch wirklich gut: Eine Totengräberin, die sich mit Untoten herumschlagen muss, ist mal ein neuer Ansatz, ich kann mich nicht erinnern, schon mal ein Buch über eine Totengräberin gelesen zu haben.

Das Buch verspricht mir eine Mischung aus Horrorroman und Märchen, vor dem Hintergrund walisischer Mythologie, und ich liebe Wales – es sprach also alles dafür, dass mir dieses Buch gefallen könnte. Und das hat es letztlich auch getan, im Großen und Ganzen. Aber es war kein walisisches Buch, das mir da hinter dem bezaubernden Cover und dem leider furchtbar fingerabdruckanfälligem Schutzumschlag begegnet ist, sondern ein durch und durch amerikanisches. Kein schlechtes Buch. Aber ich hatte mir wirklich so viel mehr davon erhofft.

Ich will nicht sagen, dass ich ein Experte für Wales wäre. Immerhin, ich bin schon dreimal dort gewesen, bin in Snowdonia gewandert, habe die Küste bereist und tolle Städtetouren nach Cardiff gemacht, und ich habe versucht, lange bevor es Duolingo gab, mittels Sprachführer Walisisch zu lernen, und bin nicht weit damit gekommen. Aber ein paar Vokabeln sind hängengeblieben, und so ist mir sofort aufgefallen, dass der Name der Hauptfigur, Aderyn, eigentlich kein Name ist, sondern das walisische Wort für den Vogel.… Weiterlesen “Emily Lloyd-Jones: The Bone Houses”

bookmark_borderKiersten White: Menacing Manor

Auf dieses Buch hätte ich beinahe ein halbes Jahr warten müssen. Das zumindest war die Meldung des großen Online-Buchhändlers, bei dem ich das »sofort lieferbare« Buch im März bestellt hatte: Das einzige noch verfügbare Exemplar wurde beim Transport beschädigt, ging zurück, und eine Neulieferung wurde angesetzt – terminiert zwischen Juni und September. Ich schimpfte, ich fluchte, doch ich hatte nicht die Energie, mich dahinterzuklemmen und die Bestellung zu stornieren, und so stellte ich mich auf eine lange Wartezeit ein, bis ich Kiersten Whites Sinister Summer-Reihe würde weiterlesen können. Drei Bände hatte ich regelrecht verschlungen – auf den vierten freute ich mich besonders, strahlte der doch klassische Spukhaus-Vibes aus und hieß auch schön verheißend Menacing Manor.

Und ich hatte Glück: Gute zwei Monate vor dem frühsten anvisierten Nachlieferungstermin kam das Buch bei mir an und wurde, wie schon seine Vorgänger, eingeatmet. Aber nicht alle Bücher in einer Reihe können gleich gut sein. Es ist immer der eine Band darunter, der einem dann nicht ganz so gut gefällt wie die anderen, und ich muss sagen, dass für mich Menacing Manor doch ein bisschen hinter den anderen Teilen zurückbleibt, vor allem als Nachfolger des brillanten Camp Creepy, das mir doch wirklich sehr gut gefallen hatte. Ich nehme es nicht persönlich und freue mich auch schon auf den fünften und letzten Band der Reihe: Der liegt schon hier bereit, und ich freue mich darauf, ihn zu lesen. Und es ist nicht so, als ob Menacing Manor kein gutes Buch geworden wäre – es ist einfach nur nicht der beste Teil der Serie.… Weiterlesen “Kiersten White: Menacing Manor”

bookmark_borderPhoebe Atwood Taylor: Beginning with a Bash

Als ich kürzlich The Maltese Falcon nach all den Jahren nochmal gelesen habe, hat das meine Lust am klassischen amerikanischen Kriminalroman wiedergeweckt, und ich hatte vor, als nächstes ein Wiedersehen mit Raymond Chandlers Philip Marlowe zu feiern. Stattdessen ist es jetzt ein Ermittler geworden, der mit seinen hartgesottenen Kollegen nichts als die Zeit gemeinsam hat, in der seine Romane entstanden sind. Dafür ist Leonidas Witherall, pensionierter Lehrer und Shakespeare-Doppelgänger, aber einer meiner Favoriten, vor allem seinen zweiten Fall, The Cut Direct, war in den frühen Neunzigern eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Weil ich aber Serien in chronologischer Abfolge lesen will, habe ich jetzt mit dem ersten Band der Reihe, Beginning with a Bash, angefangen. Und was soll ich sagen? Vielleicht hätte ich das Buch besser übersprungen und direkt mit The Cut Direct angefangen, in der Hoffnung, dass mir das Buch noch genauso gut gefällt wie 1992.

Auch für amerikanische Leser:innen Taylors begann die Witherall-Reihe bis in die Siebzigerjahre hinein mit dem zweiten Teil. Der erste Band, veröffentlicht 1933 im Mystery League Magazine, sollte nach Ansicht von Taylors amerikanischem Verleger nicht neu aufgelegt werden – auch wenn die Autorin, die gerade mit ihrer Asey Mayo-Reihe große Erfolge feierte, das Geld gut hätte brauchen können – um zu verhindern, dass der Markt eine Taylor-Übersättigung erlebt. Und ein geschlossenes Pseudonym schied für den amerikanischen Markt aus urheberrechtlichen Gründen aus, da die Magazin-Veröffentlichung unter Taylors richtigem Namen erschienen war. So kam das Buch dann 1937 im Vereinigen Königreich heraus, unter dem Pseudonym Alice Tilton.… Weiterlesen “Phoebe Atwood Taylor: Beginning with a Bash”

bookmark_borderAlix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January

Inzwischen ist er schon wieder auf dem Rückgang, der Trend, anstelle eines Klappentextes nur eine Reihe vollmundiger Kritikerstimmen auf ein Buch zu drucken, aber 2019, als The Ten Thousand Doors of January erschienen ist, war diese Unsitte in voller Blüte – der eigentliche Klappentext fand sich dann auf der U3 genannten Innenklappe, aber in den Onlinebuchhandlungen fand man diesen Text nicht, sondern nur die Lobeshymnen. Und so hatte ich, als ich mir das Buch 2020 kaufte, nicht viel mehr Anhaltspunkte als den tollen Titel und die Aussage, dass diese Geschichte schier unerträglich schön sein sollte. Nichts gegen ein Testimonial von jemandem, dem das Buch gefallen hat – und von mir aus auch von New York Times-Bestsellerautorinnen und Hugo Award-Gewinnern, aber nach dem Motto »viel hilft viel« nicht weniger als sieben Testimonials auf das Buch drucken und kaum ein Wort über den Inhalt verlieren ist vielleicht nicht die aussagekräftigste Art, ein Buch zu verkaufen.

Bei mir hat es aber gereicht. Und was ich dann auf der U3 las, sprach mich auch an – wurde mir doch ein verwinkeltes Herrenhaus versprochen, nicht weniger als zehntausend Türen, ein Mädchen auf der Suche nach sich selbst, Abenteuer, Liebe … Alles zusammen, und dann auch noch die Berge von Lob, klang das wie ein Buch, das ich lieben würde. Der Lockdown zeichnete sich damals schon ab, versprach mir viel Zeit zum Lesen, und so machte ich mich dann im jenem März, als die Leibziger Buchmesse abgesagt wurde und ich im Haus festsaß, an die Lektüre. Und ich wollte das Buch wirklich lieben, allein: Es liebte mich nicht zurück.… Weiterlesen “Alix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January”

bookmark_borderV.E. Schwab: Gallant

Es gibt verschiedene Arten, neue Autor:innen zu entdecken. Manchmal stößt man auf ein Buch, ist begeistert, schaut, was diese Person sonst noch so geschrieben hat, und kauft den Buchhandel leer. So ist mir das dieses Jahr mit Kiersten White gegangen, nachdem ich Hide gelesen hatte. Ich habe jetzt vier Bücher von ihr gelesen, weitere auf meiner Wunschliste stehen, und bis jetzt hat sie mich nicht enttäuscht. Mit anderen Autor:innen ist das anders. Da lese ich ein Buch, und es kann mich nicht völlig überzeugen, lässt mich enttäuscht oder gleichgültig zurück. Das heißt, ich stürme nicht gleich in die Buchhandlung, um mir das Gesamtwerk anzuschaffen – es muss aber auch nicht heißen, dass ich fortan Bögen um diesen Namen mache.

Jeder kann mal ein Buch schreiben, das nicht ganz so toll ist wie die anderen, und ich will niemanden pauschal verdammen, nur weil er oder sie mich nicht zu hundert Prozent abholen konnte. Es sieht anders aus, wenn ich ein Buch wirklich schlecht geschrieben finde, wenn es mich ärgert mit sexistischen Tendenzen, Homophobie oder Stigmatisierung psychischer Erkrankungen – bei so etwas ist mir dann klar, wir passen nicht zusammen. Aber wenn es einfach nur um mangelnde Begeisterung geht – da gebe ich doch gerne eine zweite Chance. So ist mir das jetzt mit V[ictoria] E[lizabeth] Schwab gegangen. Ihr Jugendbuch City of Ghosts hat mich ziemlich kalt gelassen und mich nicht gegruselt – aber um Gallant, das sie vier Jahre später veröffentlicht hat, bin ich einfach nicht herumgekommen. Und ihr diese zweite Chance zu geben, habe ich wirklich nicht bereut.… Weiterlesen “V.E. Schwab: Gallant”

bookmark_borderKyrie McCauley: All the Dead Lie Down

Über die Locked Library, die Überraschungsbücherbox aus dem Vereinigten Königreich, die ich seit vergangenem Jahr im Abo habe, sind schon ein paar echte Schmuckstücke in meinem Bücherschrank gelandet, aber kaum eines von ihnen ist so hübsch wie All the Dead Lie Down. Anders als viele Bücher aus der Locked Library, die ich von mir aus vielleicht nie in die Hand genommen hätte, fällt dieses, mit seinem bezaubernden Cover und anheimelnden Titel, sofort in mein Beuteschema: Ein geheimnisvolles Haus, gruselige kleine Mädchen und romantische große, ein dunkles Familiengeheimnis – solche Bücher lese ich doch wirklich gerne, selbst ohne farbigen Buchschnitt. So habe ich mich doch mit einigen Erwartungen an das Buch aus Mai 2023-Box gemacht. Und bin dann am Ende doch ein bisschen enttäuscht von dem, was ich da gelesen habe.

Dabei hatte ich mich über die Aussicht auf eine queere Liebesgeschichte sehr gefreut, und anders als bei The Gilded Crown bin ich, was die angeht, diesmal auf meine Kosten gekommen. Die Schwächen liegen für mich im Rest des Buches, vor allem in seinem Showdown, und ich muss vorwarnen, dass diese Rezension ein paar Spoiler enthält, weil die Handlung so langsam in die Gänge kommt, dass die phantastischen Elemente überhaupt erst in der zweiten Hälfte des Buches ins Spiel kommen und es schwer ist, ohne sie über die Geschichte zu sprechen, namentlich über die Elemente, die mich nicht überzeugen konnten.

Der Anfang liest sich ziemlich klassisch: Die frischverwaiste Marin Blythe kommt in das Haus der Schriftstellerin Alice Lovelace, alte Freundin ihrer Mutter, um dort gegen Kost und Logis über den Sommer deren Töchter zu hüten, und stolpert da schon bald über tote Vögel, begrabene Puppen und den hauseigenen Friedhof.… Weiterlesen “Kyrie McCauley: All the Dead Lie Down”

bookmark_borderDashiell Hammett: The Maltese Falcon

Meine Noir-Phase begann, als ich vierzehn war. Da lief, gegen Ende des Jahres 1989, im Fernsehen der Film »Die Spur des Falken«, und auch wenn ich mir nicht einmal sicher war, ob ich den Film mochte, hat er mich maßgeblich geprägt. Ich las erst die Romanvorlage, Dashiell Hammetts Der Malteser Falke, und dann alles von Raymond Chandler, ich schrieb hartgesottene Kriminalparodien, und ich schaute mir alle Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie an, die das deutsche Fernsehen hergab. Wo meine Mitschülerinnen für Tom Cruise schwärmten, las ich die Biographien von Peter Lorre und Humphrey Bogart, und ein bisschen kann ich sagen, dass ich erwachsen wurde, als ich eintauchte in eine Welt, in der niemand wirklich gut ist und alles nur in Grauschattierungen existierte.

Die Phase dauerte so zwei, drei Jahre, dann kehrte ich doch zum klassischen englischen Kriminalroman zurück. Aber so ganz habe ich das Thema doch nie abgeschüttelt. In meinen eigenen Geschichten tendiere ich immer noch zu Grauschattierungen gegenüber strahlenden Helden, und ich halte immer noch wirklich große Stücke auf den Malteser Falken in Film und Buch. Zuletzt habe ich es 2013 gelesen – dass ich den Film gesehen habe, ist etwas länger her – und jetzt war es wieder soweit: Ich bekam Lust auf den Stoff, lud mir das Buch im englischen Original auf mein Tablet, und habe es jetzt abgeschlossen – und wie mit vierzehn Jahren beim Erstkontakt kann ich auch fünfunddreißig Jahre später gar nicht mehr so genau sagen, ob es mir denn nun gefallen hat.

Bereut habe ich die Lektüre nicht.… Weiterlesen “Dashiell Hammett: The Maltese Falcon”