
Es war Anfang 1998, und ich hatte ein wichtiges Vorstellungsgespräch. An diesem Tag sollte sich entscheiden, ob Frau Krohn mich als Auszubildende in ihrer Buchhandelsfiliale haben wollte. Ich wollte diese Stelle, unbedingt, und ich war ebenso entschlossen wie aufgeregt, aber bereit, letzteres gut zu vertuschen. Ich war kompetent. Ich war vorgebildet. Dieser Laden, und kein anderer, sollte aus mir genau die richtige Mischung aus Literatur- und Fachbuchhändlerin machen. Routiniert berichtete ich von meinen Verkaufserfahrungen als Teddybärenmacherin auf Kunsthandwerkermärkten und Börsen. Und warum es mich trotz Bibliothekarsdiplom nun doch lieber in den verbreitenden Buchhandel zog. Und so weiter. Bis an einem Punkt des Gesprächs Frau Krohn mich abrupt fragte: »Sagen Sie - kennen Sie die Mumins?«
Es ist nicht die Frage, die man von einer Fachbuchhändlerin erwartet, und ebenso unvorbereitet wie spontan verwandelte ich mich vom Kompetenzmonster in einen Menschen und antwortete: »Die Mumins? Ich liebe sie, ich bin mit denen aufgewachsen!«
Hätte ich an der Stelle die Stirn gerunzelt und gesagt ‘Ja, früher habe ich die ganz gern gelesen’ oder die Nase gerümpft und gesagt ‘Kinderbücher...’, dann wäre an dieser Stelle wohl alles vorbei gewesen. Es mußte ein Test sein, aber das begriff ich erst viele Jahre später, lange nachdem ich meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte.
»Wer ist Ihre Lieblingsfigur?« fragte Frau Krohn weiter.
Wieder antwortete ich ohne Zögern: »Der Mumrik«, und setzte erklärend hinterher: »Oder auch Schnupferich.«
Frau Krohn lächelte. Vielleicht grinste sie auch. »Wissen Sie«, sagte sie dann, »ich mag die kleine Mü am liebsten.«
Und danach, für die Zeit meiner Ausbildung und darüber hinaus, wußten wir beide genau, woran wir beim anderen jeweils waren.