bookmark_borderSunyi Dean: The Book Eaters

In meiner Jugend habe ich Bücher buchstäblich verschlungen. Dass ich bei einem Appetit von bis zu drei Büchern am Tag nicht in die Beschaffungskriminalität abgerutscht bin, verdanke ich allein meiner Stadtbücherei, die mich großzügig mit Lesestoff versorgt hat. Heute lese ich, nach langer Pause, wieder regelmäßig, aber an die alten Zeiten kann ich nicht anknüpfen. Und auch dieses Buch, The Book Eaters, bei dem es im Wortsinn ums Bücherfressen geht, habe ich nicht verschlungen, sondern in kleinen, wohldosierten Häppchen zu mir genommen. Und auch wenn ich am Ende nicht enttäuscht von der Geschichte war, hatte ich mir letztlich doch mehr davon erwartet.

Erstmal klang es wie genau das Buch für mich, versprach mir eine queere Liebesgeschichte und Figuren, die ihren Hunger auf Bücher ernst nehmen, aber was ich dann bekommen habe, war mir nicht nur über weite Teile zu grausam, sondern machte vor allem für mich zu wenig aus dem Bücheressen an sich. Wer sich von Büchern ernährt, von Literatur und dem Wissen der Welt, sollte sich damit doch zu einer besonders aufgeschlossenen, empathischen Person entwickeln, ein innigeres Verhältnis zum Buch pflegen als diejenigen, die es einfach nur lesen und nicht in ihre Blutbahn aufnehmen – aber tatsächlich sind die Bücherfresser der unsympathischste Haufen, den man sich nur irgendwie vorstellen kann, rigide Hardliner und Frauenfeinde, die sich nichts von dem, was sie da verspeisen, irgendwie zu Herzen nehmen.

Vielleicht habe ich da zu viel erwartet. Wenn ich mir ein Butterbrot schmiere, pflege ich auch keine besonders enge Beziehung zu Getreide und Sauerteig, und wahrscheinlich macht es doch einen Unterschied, ob ich ein Buch lese, weil ich in die Geschichte verliebt bin, oder weil mein Stoffwechsel darauf angewiesen ist.… Weiterlesen “Sunyi Dean: The Book Eaters”

bookmark_borderRosamund Hodge: What Monstrous Gods

Üblicherweise, wenn meine monatliche Lieferung aus der »Locked Library« eintrifft, freue ich mich über ein besonders schönes Exemplar von Buch, mit ansprechendem Cover und bezauberndem Farbschnitt. Aber die Sendung aus dem März dieses Jahres stellte sich als herbe Enttäuschung heraus. So ein hässliches Buch hatte ich lang nicht mehr gesehen: Da prangte auf dunkelviolettem Cover eine einzelne schmutzig-gelbe Rose, und der Farbschnitt griff das gleiche Motiv auf. Und dazu sollte das Buch auch noch, das hatte ich dem Teaser auf Instagram entnommen, ein Trope bedienen, das gerade topmodern ist, mich aber überhaupt nicht anspricht: »Enemies to Lovers«, ausgerechnet.

Ich mag Bücher, in denen Feinde zu Geliebten werden, nur unwesentlich mehr als Bücher, in denen Geliebte zu Feinden werden; ich habe wenig Spaß daran, wenn zwei Leute sich seitenlang angiften und am Ende doch miteinander in der Kiste landen, und so wollte ich What Monstrous Gods schon ins Regal stellen und den März als Reinfall verbuchen – aber etwas aus dem Klappentext bewegte mich dann doch, das ach so unattraktive Buch eines zweiten Blickes zu würdigen. Die Heldin und ihr Love Interest sind nicht einfach nur verfeindet – sie hat ihn umgebracht, und jetzt ist es sein Geist, der ihr das Leben schwermacht und sich den Tod. So, wie das klang, war sie nicht irgendeine Jungfer in Nöten, sondern eine ausgebildete Attentäterin, und vielleicht war das Buch vielleicht doch wert, mal reinzulesen …

So kam es, dass ich, trotz meiner ersten Abneigung, What Monstrous Gods doch gelesen habe. Und es hat mir im Großen und Ganzen gefallen.… Weiterlesen “Rosamund Hodge: What Monstrous Gods”

bookmark_borderStephanie Garber: Caraval

Es gibt Bücher, da klingt der Klappentext, als wären sie direkt für mich geschrieben worden – und wenn ich sie dann lese, sind sie so überhaupt nicht meines. So ein Fall war Stephanie Garbers Caraval. Das hatte ich mir schon 2017 gekauft, als es brandneu am Markt war, und mich auch sofort an die Lektüre gemacht, obwohl ich in der Zeit praktisch nichts gelesen habe – und so schnell, wie ich die Lektüre begonnen hatte, habe ich sie auch schon wieder beendet. Ich fand das Buch einfach sprachlich schlecht, die Figuren waren mir unsympathisch, und so gern ich mich auch in die Geschichte verliebt hätte, hat sie mich regelrecht abgestoßen. Ich war enttäuscht, das Buch wanderte ins Regal zurück – aber weil 2024 das Jahr ist, in dem ich wieder lese und allem eine Chance gebe, habe ich mir auch Caraval noch einmal vorgenommen, und sei es, um es am Ende beherzt verreißen zu können. Aber jetzt, wo ich mit dem Buch durch bin, kann ich sagen, ganz so schlecht wie befürchtet fand ich es dann doch nicht.

Das Buch versprach mir ein Spiel um Leben und Tod, eine Schatzsuche auf einer Insel, die eine Mischung ist aus Kirmes und Zirkus, und das klang erstmal wie etwas, das mir wirklich gut gefallen sollte. Ich liebe ja alles, was mit Jahrmärkten, Freizeitparks, Spielshows und dergleichen zu tun hat, und so hoffte ich, hier auch auf meine Kosten zu kommen. Aber bevor wir da auch nur ankommen, gibt es ein großes Hindernis zu überwinden: Und damit meine ich nicht die Aussicht, dass Gouverneur Dragna seine beiden Töchter zu Tode prügelt, wenn sie versuchen, der heimatlichen Insel zu entkommen, sondern dass eben nicht nur Vater Dragna ein Unsympath sondergleichen ist, sondern alle anderen handelnden Figuren irgendwie auch, Protagonist:innen eingeschlossen.… Weiterlesen “Stephanie Garber: Caraval”

bookmark_borderLynette Noni: The Prison Healer

Bei den meisten Büchern kann ich relativ schnell abschätzen, ob sie mir gefallen oder nicht. Ich sehe, ob ich den Stil mag, in dem ein Buch geschrieben wurde, ob ich die Figuren mag oder, wenn sie überhaupt nicht als Sympathen angelegt sind, ob ich sie glaubwürdig und plausibel finde, ich fühle den Weltenbau oder dessen Abwesenheit, und ich sehe, wie der Plot konstruiert ist – meistens kann ich auf fünfundzwanzig Seiten doch schon einen guten Eindruck von einem Buch bekommen, und auch wenn sich an meinem endgültigen Urteil immer noch etwas ändern kann, wenn ich am Ende angekommen bin, ist die Tendenz doch üblicherweise klar. Ich liebe ein Buch, dann verzeihe ich ihm im schlimmsten Fall sogar einen vergeigten Schluss, oder ich liebe es nicht. Und dann gibt es Bücher, die gehen buchstäblich auf den letzten drei Metern über den Hai, und was ein Buch war, das ich eigentlich durchaus mochte, wird zu einem Ärgernis, dessen Fortsetzungen, die ich schon im Einkaufswagen liegen hatte, glatt wieder von der Liste gestrichen werden. So ein Buch war, leider, Lynette Nonis The Prison Healer.

Bis kurz vor dem Schluss mochte ich dieses Buch noch. Ich hatte Kritikpunkte, die ich mir für meine Rezension zurechtgelegt hatte, es gab ein paar wirklich merkwürdige Elemente im Buch, die mich immer wieder aus der Immersion rausrissen – aber ich hatte im Großen und Ganzen nichts an der Geschichte auszusetzen, und weil das Buch der Auftakt einer Trilogie ist, war ich darauf eingestellt, auch die bereits erschienene Bände zwei und drei zu lesen – und dann kam das Ende und verwandelte das Buch in ein Ärgernis und ließ mich vor der Frage stehen, wie ich damit umgehen soll.… Weiterlesen “Lynette Noni: The Prison Healer”

bookmark_borderEmily Lloyd-Jones: The Bone Houses

Manche Bücher springen mich direkt auf den ersten Blick an – und von wegen, man soll ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen: Oft reicht mir das schon aus, um ein Buch haben zu wollen. Ein stilisierter Schädel aus keltischen Mustern, dazu ein Titel, der mich an alte Beinhäuser denken lässt, und da konnte ich dann auch verschmerzen, dass es wieder anstelle eines richtigen Klappentextes vor allem Lobesgesänge gab – The Bone Houses wurde gekauft. Die Prämisse klingt auch wirklich gut: Eine Totengräberin, die sich mit Untoten herumschlagen muss, ist mal ein neuer Ansatz, ich kann mich nicht erinnern, schon mal ein Buch über eine Totengräberin gelesen zu haben.

Das Buch verspricht mir eine Mischung aus Horrorroman und Märchen, vor dem Hintergrund walisischer Mythologie, und ich liebe Wales – es sprach also alles dafür, dass mir dieses Buch gefallen könnte. Und das hat es letztlich auch getan, im Großen und Ganzen. Aber es war kein walisisches Buch, das mir da hinter dem bezaubernden Cover und dem leider furchtbar fingerabdruckanfälligem Schutzumschlag begegnet ist, sondern ein durch und durch amerikanisches. Kein schlechtes Buch. Aber ich hatte mir wirklich so viel mehr davon erhofft.

Ich will nicht sagen, dass ich ein Experte für Wales wäre. Immerhin, ich bin schon dreimal dort gewesen, bin in Snowdonia gewandert, habe die Küste bereist und tolle Städtetouren nach Cardiff gemacht, und ich habe versucht, lange bevor es Duolingo gab, mittels Sprachführer Walisisch zu lernen, und bin nicht weit damit gekommen. Aber ein paar Vokabeln sind hängengeblieben, und so ist mir sofort aufgefallen, dass der Name der Hauptfigur, Aderyn, eigentlich kein Name ist, sondern das walisische Wort für den Vogel.… Weiterlesen “Emily Lloyd-Jones: The Bone Houses”

bookmark_borderAlix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January

Inzwischen ist er schon wieder auf dem Rückgang, der Trend, anstelle eines Klappentextes nur eine Reihe vollmundiger Kritikerstimmen auf ein Buch zu drucken, aber 2019, als The Ten Thousand Doors of January erschienen ist, war diese Unsitte in voller Blüte – der eigentliche Klappentext fand sich dann auf der U3 genannten Innenklappe, aber in den Onlinebuchhandlungen fand man diesen Text nicht, sondern nur die Lobeshymnen. Und so hatte ich, als ich mir das Buch 2020 kaufte, nicht viel mehr Anhaltspunkte als den tollen Titel und die Aussage, dass diese Geschichte schier unerträglich schön sein sollte. Nichts gegen ein Testimonial von jemandem, dem das Buch gefallen hat – und von mir aus auch von New York Times-Bestsellerautorinnen und Hugo Award-Gewinnern, aber nach dem Motto »viel hilft viel« nicht weniger als sieben Testimonials auf das Buch drucken und kaum ein Wort über den Inhalt verlieren ist vielleicht nicht die aussagekräftigste Art, ein Buch zu verkaufen.

Bei mir hat es aber gereicht. Und was ich dann auf der U3 las, sprach mich auch an – wurde mir doch ein verwinkeltes Herrenhaus versprochen, nicht weniger als zehntausend Türen, ein Mädchen auf der Suche nach sich selbst, Abenteuer, Liebe … Alles zusammen, und dann auch noch die Berge von Lob, klang das wie ein Buch, das ich lieben würde. Der Lockdown zeichnete sich damals schon ab, versprach mir viel Zeit zum Lesen, und so machte ich mich dann im jenem März, als die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde und ich im Haus festsaß, an die Lektüre. Und ich wollte das Buch wirklich lieben, allein: Es liebte mich nicht zurück.… Weiterlesen “Alix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January”

bookmark_borderSeanan McGuire: Every Heart a Doorway

Bedingt durch meine Rolle als Autor und Admin des dienstältesten deutschen Fantasyautor:innenforums, kenne ich eine ganze Reihe Autoren persönlich, und wenn ich nicht gerade starstruck vor Terry Pratchett stehe, habe ich da auch wenig Berührungsängste – ich bin unter Kollegen, und im Zweifelsfall lästert man gemeinsam über den Buchmarkt. Allerdings habe ich noch nicht so viel mit internationalen Erfolgsautoren zu tun gehabt. Neben der Begegnung mit Terry Pratchett war da sonst nur mein Treffen mit Seanan McGuire.

Ich hatte das große Vergnügen, Seanan persönlich zu treffen, als sie im Herbst 2014 als Special Guest auf der FilkContinental, einer deutschen Filk- Convention, war. Da ging es zwar primär um Musik – Filk-Musik eben – aber Seanan bot auch eine Fragestunde zum Thema Schreiben und Veröffentlichen an, und ich saß mit ihr auf dem Podium, um die Situation von Autoren in Deutschland zu beleuchten. Es war eine tolle Runde, sehr informativ, sehr lustig, und ich konnte gänzlich unvoreingenommen an das Treffen herangehen, weil ich noch nie etwas von Seanan McGuire gelesen hatte: Ich wusste natürlich, dass sie Autorin ist, aber nicht, dass sie eine New York Times-Bestsellerautorin ist, nicht, dass sie 2013 fünf Hugo-Nominierungen auf einmal abgegrabbelt hatte, und nicht, dass sie eine derartig bekannte Hausnummer ist.

Ich sah nur eine echt coole Autorin, die auch noch tolle Musik macht, und nahm mir vor, dringend einmal etwas von ihr zu lesen. Aber diese Convention fiel in die Zeit, in der ich kaum gelesen habe, und obwohl ich bald mehrere Bücher von ihr besaß, hat es bis jetzt gedauert, bis ich etwas von ihr gelesen habe: Nicht den Auftakt ihrer Fantasykrimi-Reihe October Daye, sondern den Auftakt ihrer Wayward Children-Reihe, Every Heart a Doorway.… Weiterlesen “Seanan McGuire: Every Heart a Doorway”