bookmark_borderAlix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January

Inzwischen ist er schon wieder auf dem Rückgang, der Trend, anstelle eines Klappentextes nur eine Reihe vollmundiger Kritikerstimmen auf ein Buch zu drucken, aber 2019, als The Ten Thousand Doors of January erschienen ist, war diese Unsitte in voller Blüte – der eigentliche Klappentext fand sich dann auf der U3 genannten Innenklappe, aber in den Onlinebuchhandlungen fand man diesen Text nicht, sondern nur die Lobeshymnen. Und so hatte ich, als ich mir das Buch 2020 kaufte, nicht viel mehr Anhaltspunkte als den tollen Titel und die Aussage, dass diese Geschichte schier unerträglich schön sein sollte. Nichts gegen ein Testimonial von jemandem, dem das Buch gefallen hat – und von mir aus auch von New York Times-Bestsellerautorinnen und Hugo Award-Gewinnern, aber nach dem Motto »viel hilft viel« nicht weniger als sieben Testimonials auf das Buch drucken und kaum ein Wort über den Inhalt verlieren ist vielleicht nicht die aussagekräftigste Art, ein Buch zu verkaufen.

Bei mir hat es aber gereicht. Und was ich dann auf der U3 las, sprach mich auch an – wurde mir doch ein verwinkeltes Herrenhaus versprochen, nicht weniger als zehntausend Türen, ein Mädchen auf der Suche nach sich selbst, Abenteuer, Liebe … Alles zusammen, und dann auch noch die Berge von Lob, klang das wie ein Buch, das ich lieben würde. Der Lockdown zeichnete sich damals schon ab, versprach mir viel Zeit zum Lesen, und so machte ich mich dann im jenem März, als die Leibziger Buchmesse abgesagt wurde und ich im Haus festsaß, an die Lektüre. Und ich wollte das Buch wirklich lieben, allein: Es liebte mich nicht zurück.… Weiterlesen “Alix E. Harrow: The Ten Thousand Doors of January”

bookmark_borderDashiell Hammett: The Maltese Falcon

Meine Noir-Phase begann, als ich vierzehn war. Da lief, gegen Ende des Jahres 1989, im Fernsehen der Film »Die Spur des Falken«, und auch wenn ich mir nicht einmal sicher war, ob ich den Film mochte, hat er mich maßgeblich geprägt. Ich las erst die Romanvorlage, Dashiell Hammetts Der Malteser Falke, und dann alles von Raymond Chandler, ich schrieb hartgesottene Kriminalparodien, und ich schaute mir alle Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie an, die das deutsche Fernsehen hergab. Wo meine Mitschülerinnen für Tom Cruise schwärmten, las ich die Biographien von Peter Lorre und Humphrey Bogart, und ein bisschen kann ich sagen, dass ich erwachsen wurde, als ich eintauchte in eine Welt, in der niemand wirklich gut ist und alles nur in Grauschattierungen existierte.

Die Phase dauerte so zwei, drei Jahre, dann kehrte ich doch zum klassischen englischen Kriminalroman zurück. Aber so ganz habe ich das Thema doch nie abgeschüttelt. In meinen eigenen Geschichten tendiere ich immer noch zu Grauschattierungen gegenüber strahlenden Helden, und ich halte immer noch wirklich große Stücke auf den Malteser Falken in Film und Buch. Zuletzt habe ich es 2013 gelesen – dass ich den Film gesehen habe, ist etwas länger her – und jetzt war es wieder soweit: Ich bekam Lust auf den Stoff, lud mir das Buch im englischen Original auf mein Tablet, und habe es jetzt abgeschlossen – und wie mit vierzehn Jahren beim Erstkontakt kann ich auch fünfunddreißig Jahre später gar nicht mehr so genau sagen, ob es mir denn nun gefallen hat.

Bereut habe ich die Lektüre nicht.… Weiterlesen “Dashiell Hammett: The Maltese Falcon”

bookmark_borderMargery Allingham: Zur Hochzeit eine Leiche

In ein paar Wochen werde ich dieses Buch wohl nochmal lesen müssen, nämlich dann, wenn es chronologisch nach der Allingham-Bibliographie an der Reihe ist. Ich habe mit der Lektüre der Handlung nämlich um schändliche elf Jahre vorgegriffen. Nicht aus böser Absicht, sondern aus Verzweiflung: Denn eigentlich hatte ich nicht vor, im Zug von Offenburg ins heimische Münsterland überhaupt zu lesen. Schreiben wollte ich. Aber der Platz reichte nicht aus. Zwar war es mir gelungen, einen Abteilplatz im Intercity zu buchen, aber da hörte es auch schon auf mit Bewegungs- und Beinfreiheit. Eingezwängt zwischen dicken Männern griff ich schließlich taschendiebgleich in meinen Koffer und zerrte das erstbeste Buch heraus, das ich erreichen konnte.

Schließlich hatte mich Christoph wieder reich versorgt an ausgelesenen Campions. Aber er hat doch inzwischen schon einen stattlichen Vorsprung von sechs Bänden erarbeitet. Wenigstens erwischte ich nicht Überstunden für den Totengräber von 1948, aber 1945 wurde es dann doch schon. Passenderweise ist Zur Hochzeit eine Leiche auch das erste Allingham-Buch, das ich mir kaufte (nicht das erste, das ich las, dafür hatte die Stadtbücherei gesorgt), und ich erinnerte mich nur noch, dass ich es 1993 halbwegs langweilig fand. Da mir aber der letzte Satz noch im Kopf war, musste ich es auch damals schon bis zum Ende gelesen haben, nur der Mittelteil war mir komplett entfallen. Oder hatte ich ihn nie gelesen? Das Buch ist nämlich vieles, aber sicher nicht langweilig. Dafür sorgt schon das Schwein.

Ich weiß nicht, wie viele Fälle Margery Allingham für ihren Albert Campion geplant hatte, als sie in den zwanziger Jahren ihre Krimiserie in Angriff nahm, doch dieser hier kann nicht dazugehört haben: Wer seine Helden mit Fortschreiten der Handlung altern lässt, ist gezwungen, mit der Zeitgeschichte zu gehen, aber selten ist das auffälliger und schmerzlicher als hier.… Weiterlesen “Margery Allingham: Zur Hochzeit eine Leiche”

bookmark_borderMargery Allingham: Süße Gefahr

Ein Seriendetektiv, der eine Buchreihe über mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, tragen will, braucht entweder einen sehr starken oder einen sehr schwachen Charakter. Gerade das Finden eines Lebenspartners gestaltet sich dadurch ziemlich schwierig. Poirot war Zeit seines Lebens nur mit seinen Kürbissen verheiratet, für Lord Peter musste es gleich eine Mordverdächtige sein, und Columbos Ehefrau besticht durch permanente Abwesenheit. Auch Albert Campion ist jetzt um die Dreißig, da ist es an der Zeit, sich um so etwas Gedanken zu machen.

In Gefährliches Landleben wurde er schwer enttäuscht, in Der Hüter des Kelchs skandiert er melancholisch: »In meinem Hamlet hat Ophelia Macbeth geheiratet« – und man ahnt bereits, dass es für ihn schwer wird. Albert braucht nicht irgendein süßes Mäuschen, sondern eine Frau, die ihm ebenbürtig ist, und das will heißen: Genauso genial und genauso bescheuert. Und jetzt, im vierten Fall, ist es an der Zeit, dass sie die Bildfläche betritt. Auch wenn bis zur Hochzeit noch ein paar Jahre ins Land gehen werden: Denn nicht nur ahnen beide – anfangs – wenig von ihrem Glück, die Auserwählte ist auch gerade erst ein Mädchen von siebzehn Jahren.

Christoph war von Süße Gefahr weniger begeistert – zum einen fehlt wieder mal der rechte Mord, zum anderen fand er die Geschichte um den Osteuropäischen Zwergstaat wohl zu abstrus. Ich dagegen hatte großen Spaß an diesem Buch, trotz seiner Abstrusität, denn die Autorin folgt mit ihrer Handlung dem Zeitgeschehen, und die ersten Vorzeichen des Zweiten Weltkriegs deuten sich hier schon an – obwohl das Buch schon 1933 erschienen und vermutlich bereits vor Hitlers Machtergreifung geschrieben wurde.… Weiterlesen “Margery Allingham: Süße Gefahr”