bookmark_borderKiersten White: Haunted Holiday

Anfang März habe ich den ersten Band der Sinister Summer-Reihe gelesen, und während ich es bis heute noch nicht geschafft habe, den Abschlussband von Geraldine Harris‘ Seven Citadels zu lesen, habe ich es geschafft, diese Kinderbuchreihe jetzt abzuschließen. Und ich habe es nicht bereut. Während mir der vierte Band, Menacing Manor, nicht ganz so gut gefallen hatte wie die anderen Teil der Serie, hat Kiersten White mit dem letzten Teil wieder zu alter Form zurückgefunden. Was sich über vier Bände entwickelt hat, wird im fünften zu einem würdevollen und runden Abschluss gebracht: Und wo es vordergründig von drei Geschwistern handelt, die ihre verschwundenen Eltern suchen und nach einer Reihe spannender Abenteuer mit übernatürlichem Touch auch finden, geht es eigentlich um so viel mehr – drei verschrobene Jugendliche, allen voran der von zahlreichen Phobien geplagte Alexander und seine Zwillingsschwester Theo, die wahrscheinlich eine Form von ADHS hat, die aus ihren Anderssein Stärke schöpfen und lernen, für sich selbst und die, die ihnen am Herzen liegen, aufzustehen.

Nachdem ihr Sommer die Sinister-Winterbottom-Geschwister schon durch Spaßbad, Wellness-Hotel, Sommerlager und Wissenschaftscamp gearbeitet haben, ist im Abschlussband die Krönung aller Touristenfallen dran: Nichts geringeres als ein Freizeitpark bildet die Kulisse für das große Finale, aber bis sich vor dem nächtlich angestrahlten Riesenrad ein riesiger Roboter und ein nicht minder großer Kraken den großen Endkampf liefern können, muss viel passieren – und die Frage, wer gut ist und wer böse, wer recht hat und wer nicht, wird immer wieder neu gestellt, neu beantwortet, bis am Ende die Geschwister, aber auch die Lesenden selbst, die Antworten darauf gefunden haben.… Weiterlesen “Kiersten White: Haunted Holiday”

bookmark_borderKyrie McCauley: All the Dead Lie Down

Über die Locked Library, die Überraschungsbücherbox aus dem Vereinigten Königreich, die ich seit vergangenem Jahr im Abo habe, sind schon ein paar echte Schmuckstücke in meinem Bücherschrank gelandet, aber kaum eines von ihnen ist so hübsch wie All the Dead Lie Down. Anders als viele Bücher aus der Locked Library, die ich von mir aus vielleicht nie in die Hand genommen hätte, fällt dieses, mit seinem bezaubernden Cover und anheimelnden Titel, sofort in mein Beuteschema: Ein geheimnisvolles Haus, gruselige kleine Mädchen und romantische große, ein dunkles Familiengeheimnis – solche Bücher lese ich doch wirklich gerne, selbst ohne farbigen Buchschnitt. So habe ich mich doch mit einigen Erwartungen an das Buch aus Mai 2023-Box gemacht. Und bin dann am Ende doch ein bisschen enttäuscht von dem, was ich da gelesen habe.

Dabei hatte ich mich über die Aussicht auf eine queere Liebesgeschichte sehr gefreut, und anders als bei The Gilded Crown bin ich, was die angeht, diesmal auf meine Kosten gekommen. Die Schwächen liegen für mich im Rest des Buches, vor allem in seinem Showdown, und ich muss vorwarnen, dass diese Rezension ein paar Spoiler enthält, weil die Handlung so langsam in die Gänge kommt, dass die phantastischen Elemente überhaupt erst in der zweiten Hälfte des Buches ins Spiel kommen und es schwer ist, ohne sie über die Geschichte zu sprechen, namentlich über die Elemente, die mich nicht überzeugen konnten.

Der Anfang liest sich ziemlich klassisch: Die frischverwaiste Marin Blythe kommt in das Haus der Schriftstellerin Alice Lovelace, alte Freundin ihrer Mutter, um dort gegen Kost und Logis über den Sommer deren Töchter zu hüten, und stolpert da schon bald über tote Vögel, begrabene Puppen und den hauseigenen Friedhof.… Weiterlesen “Kyrie McCauley: All the Dead Lie Down”

bookmark_borderMaurice Sandoz: Das Labyrinth

Fürwahr, ein mysteriöses Buch: Es geriet mir in der Bücherei in die Finger, ohne dass ich lange danach gesucht hätte, und ohne dass ich mich in den vergangenen Jahren jemals daran erinnert hätte, erkannte ich es doch sofort wieder: Das Labyrinth von Maurice Sandoz. Ein Buch, das ich Anfang der neunziger Jahre für längere Zeit ausgeliehen hatte – ich erinnere mich, wie es auf der Ablage neben meinem Bett stand zusammen mit den anderen ungelesenen Büchereibüchern, und dann muss ich es wohl, nach diversen Verlängerungen, der Bücherei zurückgegeben haben: Gelesen hatte ich es offenbar nicht, denn nichts vom Inhalt war auch nur irgendwie in meinem Kopf zurückgeblieben, und ich habe sonst ein gutes Gedächtnis, was Bücher angeht. Ich lieh es also wieder aus, vor einer Woche, um endlich das Lesen nachzuholen: Und als ich es aufschlug, erlebte ich eine Überraschung. Direkt auf dem Vorsatzblatt prangte ein mysteriöses Zeichen. Es sah aus wie ein M, in Bleistift in die rechte untere Ecke gezeichnet. Ich kannte dieses Zeichen. Es war mein eigenes.

So pflegte ich in meiner wildbewegten Jugend Bücher, die ich entliehen und gelesen hatte, zu kennzeichnen – nicht, um sie nicht versehentlich nochmal zu leihen, sondern um mein Revier zu markieren. So sind sie, die aufstrebenden Jungbibliothekarinnen (und ehe sich nun jemand aufregt, ich habe natürlich immer nur weiche Bleistifte benutzt – die hätten sich schnell wieder wegradieren lassen, ohne dem Buch zu schaden). Mein Zeichen in einem Buch ohne Erinnerung… Sollte ich es etwa doch schon gelesen haben? Meine Neugier war geweckt.… Weiterlesen “Maurice Sandoz: Das Labyrinth”

bookmark_borderJohn Harwood: Das Haus der vergessenen Bilder

So eine Bahnreise nach München ist immer ein Grund, vier Bücher innerhalb von wenigen Tagen zu lesen: Zwei auf der Hinfahrt, zwei auf der Rückfahrt. Soweit der Plan, und so war ich diesmal gut eingedeckt mit Literatur. Das Haus der vergessenen Bilder sollte das erste auf der Rückfahrt sein, dann wurde es aber das einzige: Ich hatte seine Dicke unterschätzt. Aber auch seine Spannung.

Wie bei allen Büchern, deren deutscher Titel mit Das Haus der/des … beginnt, muss ich aber auch hier wieder über die Namenswahl meckern: Dieses hier heißt im Original The Ghost Writer, und dieser Titel ist wirklich perfekt gewählt, treffend und vielseitig. Vergessene Bilder passt dagegen nicht so. Zwar spielen Bilder im ganzen Buch eine große Rolle, alle in die Rahmenhandlung eingebauten Geistergeschichten handeln irgendwie von Bildern, und trotzdem: Im Vergleich zum Original ist es nicht das Wahre. Allerdings hätte das Buch mit einem anderen, weniger stereotypen Titel, nicht in mein Mystery-Beuteschema gepasst und wäre nicht so ohne weiteres von mir ausgeliehen worden. Ich war ja wieder auf der Suche nach geheimnisvollen Häusern und nichts nach irgendwelchen Geistergeschichten. So aber kam ich endlich einmal auf meine Kosten, und dazu noch an ein wirklich gutes Buch.

An Stereotypen soll es hier nicht mangeln: Aber ich bin sicher, dass sich zu jedem verfallen-verlassenen Haus ein dunkles Geheimnis auftreiben lässt, denn ohne zwingenden Grund lässt man ein schönes altes Haus mitsamt Bibliothek, Möbeln und Bildern nicht einfach so verwildern. Vielleicht bin ich traumatisiert: Jeden Tag fuhr mich mein Schulbus an ebenso einer alten verlassenen Villa vorbei, und jeden Tag nahm ich mir vor, dort einmal hineinzugehen – Mitschüler, die es getan hatten, berichteten von den alten Möbeln, von Fotoalben, die auf dem Boden herumlagen… Die Chance ist vertan, das Haus wurde inzwischen abgerissen, und heute steht dort ein Supermarkt.… Weiterlesen “John Harwood: Das Haus der vergessenen Bilder”

bookmark_borderWilkie Collins: Das Geheimnis des Myrtenzimmers

Wer Bücher über morsche Herrenhäuser und dunkle Familiengeheimnisse liebt, der kommt an Wilkie Collins nicht vorbei. Der viktorianische Engländer machte das Genre der bekannten und besonders bei Frauen beliebten Gothic Novels zu Mystery Thrillern – und nicht nur hat sich diese Bezeichnung bis heute gehalten, Collins ist auch immer noch ihr wertvollster und wichtigster Vertreter. Selbst wer Mystery-Romane gemeinhin als Schund bezeichnet, hat meist noch den Anstand, zumindest Wilkie Collins davon auszunehmen – zumindest Die Frau in Weiß gilt als ein unverzichtbarer Klassiker der Spannungs- und Abenteuerliteratur, und mit dem Buch Der Monddiamant liefert Wilkie Collins einen richtigen Krimi, bevor es das Genre als solches überhaupt gab.

Und auch ich bin natürlich nicht an diesem Autor vorbeigekommen, und wenn ich auch selbst als Mystery-Leserin immer nur Spott für das Genre übrighatte, war doch auch ich immer bereit, Collins zu schonen und zu loben. Ich erinnere mich noch, wie ich als Oberstufenschülerin während einer Freistunde auf einer Bank in der Fußgängerzone hockte und völlig selbstvergessen in der Frau in Weiß schmökerte, bist ich nach guten zweihundert Seiten des doppelbändigen Werks auf und zur Rathausuhr blickte und begriff, dass ich gerade auch noch die nächste Stunde verpasst hatte… Oder wie mich ich als junge Studentin glühenden Herzens durch Der Rote Schal schlang, gefesselt und stets den Tränen nahe…

Als ich mir dann als Buchhandelsazubi einen Titel aus dem Fischerverlag aussuchen durfte – es muss eine Leseexemplaraktion oder etwas in der Art gewesen sein – entschied ich mich ohne zu zögern für die Neuausgabe von Das Geheimnis des Myrtenzimmers – ein bildschön aufgemachtes Taschenbuch mit pseudo-marmoriertem Einband, erschienen in der Reihe Bibliothek der Klassischen Abenteuerliteratur – aber was war dann?… Weiterlesen “Wilkie Collins: Das Geheimnis des Myrtenzimmers”

bookmark_borderMargot Bérard: Das Haus der Kolibris

Dieses Buch ist schon lange in meinem Besitz, seit ich es 1994 oder 1995 für eine Mark in der Wühlkiste der Stadtbücherei erstanden habe. Was jetzt kein unglaubliches Schnäppchen ist, denn der aufgedruckte Ladenpreis beträgt auch nur drei Mark (West, muss man dabei sagen, denn das Buch ist von 1977). Es ist wieder so ein Fall von Schmöker ohne großen Qualitätsanspruch, dunkles Familiengeheimnis und altes Haus inbegriffen. Oder auch kein Schmöker, denn dafür ist Das Haus der Kolibris zu dünn – mit nur 145 Seiten stellt es wohl ein Mittelding zwischen Heftchenroman und richtigem Buch dar. Und natürlich habe ich es dann nie gelesen – aber auch das stimmt nicht ganz. Ich habe das Impressum gelesen, mich gewundert, gelacht, und so kam das Werk zu zweifelhaftem Ruhm, als ich es im Fach Bibliotheksrecht als Fallbeispiel zu einer Fachfrage zitierte. Hier ist das Zitat:

»Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten.« Hat sich die Stadtbücherei also strafbar gemacht, als sie es mir verkaufte? Natürlich nicht. Dieses Passus ist nichtig. Eine Bücherei darf jedes Buch, das sie erworben hat, auch verleihen. Und natürlich darf jeder ein Buch, das er nicht mehr haben will, wiederverkaufen. Vielen Dank, Professor Peters! Das habe ich nie vergessen. Und auch der Erich Pabel Verlag, in dessen Reihe Gaslicht dieser Titel erschienen ist, hätte das eigentlich wissen müssen. Aber man kann es ja wenigstens mal versuchen.
So kam es jedenfalls, dass dieses Buch zwischen all den anderen ungelesenen Büchern einen Sonderstatus innehatte.… Weiterlesen “Margot Bérard: Das Haus der Kolibris”

bookmark_borderMargery Allingham: Polizei am Grab

In seinem dritten Abenteuer verirrt sich Albert Campion nach Cambridge, und dieses Gefühl der Verirrtheit zieht sich durch das ganze Buch, obwohl man meinen sollte, dass hier jeder, Albert eingeschlossen genau da ist, wo er hingehört. Aber der hat nicht nur sein Faktotum Lugg zuhause gelassen, niemand meldet sich mit einem launigen »Aphrodite Kleisterwerke« am Telefon, niemand klaut Fahrräder oder bricht beiläufig irgendwo ein – nein, Campion steckt mitten im Sumpf der intellektuellen High Society, als gehöre er nirgendwo anders hin. Man kennt ihn. Die alte Hausherrin redet ihn gelegentlich mit Rudolph an, seinem richtigen Vornamen (den Nachnamen erfahren wir auch hier hartnäckig nicht), und er hat keinen Grund, den Schwachsinnigen zu spielen – niemand ist da, um es ihm abzukaufen, hat ihn doch ein alter Studienfreund um Hilfe gebeten. Vieles, eigentlich alles, Albertesque fehlt in diesem Buch, und mit ihm der Witz. Polizei am Grab ist ein intelligenter und gut geschriebener Krimi voller interessanter Persönlichkeiten, aber leider ein Buch, das mit seinen Vorgängern nicht mithalten kann.

Vielleicht liegt es am Setting: Das verknöcherte Cambridge kann nicht mithalten mit dem ländlichen Charme von Gefährliches Landleben und Der Hüter des Kelchs. Vielleicht ist ein einfacher verschwundener Onkel und ein bisschen Mord auch einfach zu wenig für den guten Albert, der seine Freunde und Leser längst an das organisierte Verbrechen und die großen Gangsterbosse gewöhnt hat. Vielleicht gibt es einfach zu wenig haarsträubende Action. Vielleicht wollte aber auch die Autorin ihre Vielseitigkeit beweisen, und zeigen, dass sie mehr kann, als intelligente Schenkelklopfer zu liefern.… Weiterlesen “Margery Allingham: Polizei am Grab”