bookmark_borderKyrie McCauley: All the Dead Lie Down

Über die Locked Library, die Überraschungsbücherbox aus dem Vereinigten Königreich, die ich seit vergangenem Jahr im Abo habe, sind schon ein paar echte Schmuckstücke in meinem Bücherschrank gelandet, aber kaum eines von ihnen ist so hübsch wie All the Dead Lie Down. Anders als viele Bücher aus der Locked Library, die ich von mir aus vielleicht nie in die Hand genommen hätte, fällt dieses, mit seinem bezaubernden Cover und anheimelnden Titel, sofort in mein Beuteschema: Ein geheimnisvolles Haus, gruselige kleine Mädchen und romantische große, ein dunkles Familiengeheimnis – solche Bücher lese ich doch wirklich gerne, selbst ohne farbigen Buchschnitt. So habe ich mich doch mit einigen Erwartungen an das Buch aus Mai 2023-Box gemacht. Und bin dann am Ende doch ein bisschen enttäuscht von dem, was ich da gelesen habe.

Dabei hatte ich mich über die Aussicht auf eine queere Liebesgeschichte sehr gefreut, und anders als bei The Gilded Crown bin ich, was die angeht, diesmal auf meine Kosten gekommen. Die Schwächen liegen für mich im Rest des Buches, vor allem in seinem Showdown, und ich muss vorwarnen, dass diese Rezension ein paar Spoiler enthält, weil die Handlung so langsam in die Gänge kommt, dass die phantastischen Elemente überhaupt erst in der zweiten Hälfte des Buches ins Spiel kommen und es schwer ist, ohne sie über die Geschichte zu sprechen, namentlich über die Elemente, die mich nicht überzeugen konnten.

Der Anfang liest sich ziemlich klassisch: Die frischverwaiste Marin Blythe kommt in das Haus der Schriftstellerin Alice Lovelace, alte Freundin ihrer Mutter, um dort gegen Kost und Logis über den Sommer deren Töchter zu hüten, und stolpert da schon bald über tote Vögel, begrabene Puppen und den hauseigenen Friedhof.… Weiterlesen “Kyrie McCauley: All the Dead Lie Down”

bookmark_borderDashiell Hammett: The Maltese Falcon

Meine Noir-Phase begann, als ich vierzehn war. Da lief, gegen Ende des Jahres 1989, im Fernsehen der Film »Die Spur des Falken«, und auch wenn ich mir nicht einmal sicher war, ob ich den Film mochte, hat er mich maßgeblich geprägt. Ich las erst die Romanvorlage, Dashiell Hammetts Der Malteser Falke, und dann alles von Raymond Chandler, ich schrieb hartgesottene Kriminalparodien, und ich schaute mir alle Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie an, die das deutsche Fernsehen hergab. Wo meine Mitschülerinnen für Tom Cruise schwärmten, las ich die Biographien von Peter Lorre und Humphrey Bogart, und ein bisschen kann ich sagen, dass ich erwachsen wurde, als ich eintauchte in eine Welt, in der niemand wirklich gut ist und alles nur in Grauschattierungen existierte.

Die Phase dauerte so zwei, drei Jahre, dann kehrte ich doch zum klassischen englischen Kriminalroman zurück. Aber so ganz habe ich das Thema doch nie abgeschüttelt. In meinen eigenen Geschichten tendiere ich immer noch zu Grauschattierungen gegenüber strahlenden Helden, und ich halte immer noch wirklich große Stücke auf den Malteser Falken in Film und Buch. Zuletzt habe ich es 2013 gelesen – dass ich den Film gesehen habe, ist etwas länger her – und jetzt war es wieder soweit: Ich bekam Lust auf den Stoff, lud mir das Buch im englischen Original auf mein Tablet, und habe es jetzt abgeschlossen – und wie mit vierzehn Jahren beim Erstkontakt kann ich auch fünfunddreißig Jahre später gar nicht mehr so genau sagen, ob es mir denn nun gefallen hat.

Bereut habe ich die Lektüre nicht.… Weiterlesen “Dashiell Hammett: The Maltese Falcon”

bookmark_borderSeanan McGuire: Every Heart a Doorway

Bedingt durch meine Rolle als Autor und Admin des dienstältesten deutschen Fantasyautor:innenforums, kenne ich eine ganze Reihe Autoren persönlich, und wenn ich nicht gerade starstruck vor Terry Pratchett stehe, habe ich da auch wenig Berührungsängste – ich bin unter Kollegen, und im Zweifelsfall lästert man gemeinsam über den Buchmarkt. Allerdings habe ich noch nicht so viel mit internationalen Erfolgsautoren zu tun gehabt. Neben der Begegnung mit Terry Pratchett war da sonst nur mein Treffen mit Seanan McGuire.

Ich hatte das große Vergnügen, Seanan persönlich zu treffen, als sie im Herbst 2014 als Special Guest auf der FilkContinental, einer deutschen Filk- Convention, war. Da ging es zwar primär um Musik – Filk-Musik eben – aber Seanan bot auch eine Fragestunde zum Thema Schreiben und Veröffentlichen an, und ich saß mit ihr auf dem Podium, um die Situation von Autoren in Deutschland zu beleuchten. Es war eine tolle Runde, sehr informativ, sehr lustig, und ich konnte gänzlich unvoreingenommen an das Treffen herangehen, weil ich noch nie etwas von Seanan McGuire gelesen hatte: Ich wusste natürlich, dass sie Autorin ist, aber nicht, dass sie eine New York Times-Bestsellerautorin ist, nicht, dass sie 2013 fünf Hugo-Nominierungen auf einmal abgegrabbelt hatte, und nicht, dass sie eine derartig bekannte Hausnummer ist.

Ich sah nur eine echt coole Autorin, die auch noch tolle Musik macht, und nahm mir vor, dringend einmal etwas von ihr zu lesen. Aber diese Convention fiel in die Zeit, in der ich kaum gelesen habe, und obwohl ich bald mehrere Bücher von ihr besaß, hat es bis jetzt gedauert, bis ich etwas von ihr gelesen habe: Nicht den Auftakt ihrer Fantasykrimi-Reihe October Daye, sondern den Auftakt ihrer Wayward Children-Reihe, Every Heart a Doorway.… Weiterlesen “Seanan McGuire: Every Heart a Doorway”

bookmark_borderKiersten White: Hide

Wenn es ein Motiv gibt, auf das ich sofort anspringe, sind das verlassene Vergnügungsparks. Ich liebe sie in Computerspielen wie The Park, ich schaue immer wieder gern Fotogalerien aus dem Berliner Spreepark an und bedauere sehr, dass ich da nie an einer Führung teilgenommen habe (aber Berlin ist einfach weit weg von mir), und ich folge Youtube-Kanälen, die Urban Exploring in den Überresten lang vergangener Parks machen. Woher dieses Interesse kommt, kann ich nicht mal sagen – ich war im Leben dreimal im Phantasialand, und das war es dann auch schon an Freizeitparkbesuchen – aber ich liebe diese Mischung aus Vergnügen, Schauder und der Natur, die sich die Welt zurückerobert. Nur im Roman bin ich diesem Thema noch nicht begegnet, aber als ich in der Buchhandlung über das Buch Amazement Park gestolpert bin und gesehen habe, dass es in genau so einem verlassenen Park spielt, war mir klar, ich will das lesen.

Im englischen Original heißt das Buch einfach nur Hide, und ich muss zugeben, mit dem Titel hätte ich nicht so schnell zugegriffen wie bei dem deutschen, aber ich habe mir dann doch die englischsprachige Ausgabe bestellt, weil ich Bücher doch nach Möglichkeit in Originalsprache kaufe, und als es dann kam, habe ich, obwohl ich eigentlich schon ein anderes Buch angefangen hatte, sofort zu lesen angefangen. Und weil das Buch dann wirklich über alle Maßen spannend war, habe ich es innerhalb von drei Tagen ausgelesen. Beinahe wären es sogar nur zwei Tage geworden – Hide ist stellenweise so gruselig, dass ich es nicht aus der Hand legen wollte, aber gerade im hinteren Viertel hat es sich dann ausgegruselt, und so konnte ich gestern Abend dann doch noch andere Sachen tun, als nur zu lesen.… Weiterlesen “Kiersten White: Hide”

bookmark_borderMarianne Gordon: The Gilded Crown

Es ist lang her, dass ich meine letzte Rezension veröffentlicht habe – mehr als zwölf Jahre. Ebenfalls lang, wenn auch nicht ganz so lang, ist es her, dass ich das letzte Buch gelesen habe. Das hängt zusammen: Ohne die Aussicht, eine Rezension schreiben zu dürfen, fehlte mir meistens die Motivation, bei einem Buch, das mich nicht zu hundert Prozent in seinen Bann schlägt, bis zum Ende durchzuhalten. Aber ich dachte, als veröffentlichte Autorin – und das bin ich in der Zwischenzeit geworden – dürfte ich nicht mehr rezensieren. Mumpitz. Natürlich darf ich. Nicht hinterrücks und anonym die eigenen Kollegen schlechtmachen. Aber transparent und begründet loben und kritisieren. Und so bin ich wieder zurück mit Bibliophilis, nach nur zwölf Jahren Pause.

Was ich in den letzten Jahren unverändert getan habe, ist, Bücher zu kaufen. Schöne, interessante Bücher reizen mich wie eh und je, auch wenn ich kaum eines davon angefasst habe, nachdem es einmal im Regal stand. Seit dem letzten Februar bin ich Abonnent der Locked Library, einer britischen Überraschungs-Bücherbox, die mir jeden Monat ein schmuckes Buch liefert, komplett mit Farbschnitt, verziertem Einband und eingedrucktem Brief der Autor:innen. Ein Jahr lang habe ich diese Bücher bewundert, angegrabbelt, und in einem Stapel neben meinem Bett gesammelt – vieles davon hat mich auch von Klappentext her sehr angesprochen, aber gelesen habe ich keines von ihnen. Bis jetzt. Neues Jahr, neues Leben, neue gute Vorsätze.

Und auch wenn ich so neugierig auf das Buch war, das ich mir zum Wiedereinstieg ins Leserleben ausgesucht hatte, dass ich am liebsten noch im alten Jahr mit der Lektüre angefangen hätte, habe ich gewartet bis zum ersten Januar, ehe ich mich darüber hergemacht habe.… Weiterlesen “Marianne Gordon: The Gilded Crown”

bookmark_borderWolfgang Herrndorf: Tschick

Mein Vater war Lehrer in der Jugendpsychiatrie – bevor er pensioniert wurde, heißt das. Er hatte eine ganze Reihe verhaltensauffällige Achtklässler, Kinder aus verkorksten Elternhäusern, vernachlässigte Schulschwänzer, das ganze Spektrum jugendlichen Elends. Sicherlich auch Schüler wie Maik oder Tschick. Ich glaube nicht, dass er dieses Buch lesen möchte. Nicht, weil er so froh ist, diese Welt hinter sich gelassen zu haben, als der Schuldienst vorbei war, aber weil er das nicht auch noch mit nach Hause nehmen will. Er war immer bewundernswert gut darin, über den Dingen zu stehen und das nicht an sich heranzulassen, anders als ich, weswegen ich keine Lehrerin geworden bin und das erst recht nicht in der Psychiatrie. Ich nehme mir immer alles furchtbar zu Herzen, und darum hat auch dieses Buch mich stellenweise ziemlich fertiggemacht, obwohl es ein Jugendbuch ist und ich eine lang erwachsene Frau.

Ein Roadmovie sollte es sein, versprach der Klappentext, quer durch die ostdeutsche Provinz, »unvergesslich wie die Flussfahrt von Tom Sawyer und Huck Finn.« Darüber habe ich mich natürlich aufgeregt, ich rege mich immer auf, wenn irgendwo Blödsinn steht, denn natürlich war mitnichten Tom Hucks Reisekamerad auf der Floßfahrt, sondern der Sklave Jim. Zur Ehrenrettung der Büchergilde, bei der ich Tschick erstanden habe, ist das zumindest in der Beschreibung im Onlineshop inzwischen korrigiert. Ich bin also offenbar nicht der Einzige, der sich da aufgeregt hat. Trotzdem, da ich Huckleberry Finn sehr gerne mag (und das viel, viel lieber als Tom Sawyers Abenteuer, hat mich doch dieser Vergleich dazu bewogen, das Buch zu kaufen.… Weiterlesen “Wolfgang Herrndorf: Tschick”

bookmark_borderM.E. Kerr: Der Mädchenturm

Ein abgelegenes Internat, in dem seltsame Dinge vorgehen. Nachts hallen spitze Schreie durch den verufensten Teil des Gebäudes, den alten Mädchenturm. Lehrer verhalten sich seltsam, und Schüler auch. Wird es Flanders Brown gelingen, das Geheimnis der Charles-Schule zu lüften? … Warum habe ich dieses Buch nie früher gelesen? Mit dieser Inhaltsangabe hat es doch eigentlich alles, was ich liebe und schon immer geliebt habe.

Und man kann nicht sagen, ich hätte zu Der Mädchenturm keine Beziehung gehabt – jede Woche montags, zwei Jahre lang, habe ich die obere Kante des Buchrückens mit der Zeigefingerspitze angestupst und dabei »Ker, Ker« gemurmelt. Es war meine Aufgabe in der Stadtbücherei, den Bereich Jugendbücher in Ordnung zu halten, und dazu gehörte natürlich auch die Kontrolle, dass jedes Buch im Regal an seinem alphabetisch richtigen Platz stand. Ich weiß auch, dass ich dieses Buch ab und an herausgenommen, angeschaut, für langweilig befunden, und wieder weggestellt habe. Warum nur konnte ich es dieses Mal nicht genauso machen? Aber unser Wiedersehen endete mit einer Ausleihe, die ich noch bereuen sollte. Denn Der Mädchenturm von M.E. Kerr ist vor allem eines: Todlangweilig.

M.E. Kerr, das bekannteste Pseudonym der Autorin Marijane Meaker, gehört zu den wichtigsten Autoren zeitgenössischer amerikanischer Jugendliteratur, seit sie 1972 ihr erstes Buch veröffentlichte, und schreibt bis heute. Ob ihre Bücher auch von echten Jugendlichen gelesen werden oder in die Kategorie »Die Ewige Schullektüre« fallen (so wie in Deutschland Peter Härtling), ist schwer zu sagen – ich habe immer zu den Kindern gehört, die diese Bücher trotzdem lasen.… Weiterlesen “M.E. Kerr: Der Mädchenturm”