bookmark_borderMargo Kelly: Unlocked

Ich war schon über dreißig, als bei mir die erste Psychose diagnostiziert wurde. Ob sie zustande kam, weil ich drei Tage und Nächte nicht geschlafen hatte, oder ob ich drei Tage und Nächte nicht schlief, weil ich eine Psychose hatte, kann ich nicht sagen, aber es ging über Schlaflosigkeit und Erschöpfung weit hinaus. Ich hörte Stimmen. Ich roch Dinge, die nicht da waren. Ich war der festen Überzeugung, mein linker Arm wäre ein implantiertes Fremdorgan. Der Nervenarzt verschrieb mir ein Antipsychotikum. Auf dem Beipackzettel stand »zur Behandlung von Schizophrenie.« »Heißt das, ich bin schizophren?«, fragte ich. Mein Arzt meinte, so eine Diagnose könnte man schlecht nach nur einer Psychose stellen, aber es wäre möglich, auch wenn ich schon ein bisschen alt für einen ersten Ausbruch wäre. Aber das Medikament schlug an, die Psychose ging nach ein paar Tagen wieder, und alles war gut-

Mehrere Psychosen später lebe ich mit der Diagnose »Schizo-Affektive Psychose« – das ist, sinngemäß, Schizophrenie plus Depressionen. Meine letzte Psychose ist Jahre her. Ich nehme meine Antipsychotika regelmäßig, die Depressionen machen mir im Schnitt mehr Probleme, aber unterm Strich lebe ich doch ein vollwertiges, erfülltes Leben. Das war jetzt ein langer Exkurs, wo ich eigentlich ein Buch rezensieren will, aber mir war diese Vorbemerkung wichtig, damit klar ist, warum dieses Buch, Unlocked von Margo Kelly, mich derart zornig machen konnte. So zornig, dass ich jetzt gegen einen meiner Rezensentengrundsätze verstoßen und Sachen aus der Auflösung des Buches spoilern werde, denn es muss sein, um meine Kritik verständlich zu machen.… Weiterlesen “Margo Kelly: Unlocked”

bookmark_borderMara Purnhagen: One Hundred Candles

Gerade weil mir der erste Band von Mara Purnhagens Geisterjägerreihe, Past Midnight, wirklich gut gefallen hatte und ich nach der letzten Enttäuschung wieder etwas echtes Grusel brauchte, hatte ich es eilig, nun auch das zweite Buch um Charlotte Silver und ihre geisterwiderlegenden Eltern zu lesen. Zweite Bände haben es ja immer besonders schwer, das weiß ich auch als Autorin: Sie müssen den Geist des ersten spüren lassen, den vertrauten Figuren neue Aspekte abgewinnen und eine Handlung haben, die nicht nur ein Abklatsch des ersten Teils ist, sondern neu und eigenständig und am besten nochmal viel besser als Band eins sein, damit man dann erst recht bereit ist, noch ein drittes, viertes, fünftes Buch zu lesen. Das gilt für Krimireihen um Seriendetektive ebenso wie für Geisterjäger, und da ich selbst gerade an einer Geisterjäger-Serie arbeite, war ich um so neugieriger zu sehen, wie das hier umgesetzt wurde. Man kann eine Reihe wirklich so fortführen, dass die Leser sehnsüchtig auf das nächste Abenteuer warten. Aber leider kann man auch völlig ins Klo greifen und sein Konzept vor der Zeit abschlachten. One Hundred Candles, interessanterweise, tut beides.

Gut an diesem Buch ist die Art, wie die Handlung fortgeführt wird, und der neue Geisterplot ist erfrischend anders als das, was im ersten Buch passiert ist. Gruselig, mit ein paar falschen Fährten und Dingen, die nicht so sind, wie sie scheinen, auch wenn ich das Ganze schnell durchschaut habe. Aber krankte Past Midnight schon an einem überhasteten Schluss, ist hier das Ende geeignet, die ganze Reihe zu ruinieren, und auch wenn ich den dritten Band noch nicht gelesen habe, kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass danach noch weitere Bücher kommen können.… Weiterlesen “Mara Purnhagen: One Hundred Candles”

bookmark_borderMara Purnhagen: Past Midnight

Geister und Feen, Geister und Feen … Ich höre mich ja schon an wie eine kaputte Schallplatte. Aber nachdem ich den Vampirtrend geflissentlich ignoriert habe und um den eher verhalten verschallten Engeltrend einen frustrierten Bogen gemacht habe, tut mir der Buchmarkt jetzt den Gefallen und bringt ein Buch nach dem anderen zu meinen aktuellen Lieblingsthemen raus. Während ich jetzt für ein neues Feenbuch sogar ein Rezensionsexemplar angefordert habe, gibt es jetzt erst mal wieder Geister. Nicht in Form von mundgerechten Gruselgeschichten, und auch nicht als Horrorroman mit zerschlitzten Teenagern wie in Anna Dressed in Blood, sondern mit richtigen Geistern, die sich noch nicht mal gerne fotographieren lassen, geschweige denn gleich eine Liebesaffäre mit dem Protagonisten anfangen müssen. Weswegen ich mich bei diesem Buch ungefähr hundertmal mehr gegruselt habe als bei letztgenanntem.

Ich wüsste gerne, was der Arbeitstitel der Autorin war für das Buch, das heute Past Midnight heißt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es selbst so genannt haben soll – schließlich spielt die Mitternacht überhaupt keine Rolle darin, die Geister schauen nicht auf die Uhr und treten tags- wie nachtsüber auf, aber natürlich ködert man mit ‘Nach Mitternacht’ mehr Leser als mit ‘Spuk rund um die Uhr’. Weswegen ich vermute, dass es sich um eine Verlagsentscheidung handelt. Das Buch selbst ist ein relativ billig aufgemachtes Taschenbuch ohne großes Werbeetat und in Deutschland noch völlig unbekannt, auch wenn in Amerika schon drei Bände plus zwei kurze E-Books zu dieser Reihe herausgekommen sind. Ich vermutete also einen nicht besonders gut geratenen Schnellschuss, und dachte, bei dem kleinen Preis kann man nicht viel falsch machen, aber ich wurde positiv überrascht.… Weiterlesen “Mara Purnhagen: Past Midnight”

bookmark_borderKendare Blake: Anna Dressed in Blood

Seit jeher bekommt man mich mit einer guten Geistergeschichte immer zu packen. Schon als Kind war ich Fan von Geister und Skeletten und Spukhäusern, und ich liebte es, meiner jüngeren Schwester abends Schauergeschichten vorzulesen – während meine Schwester das gar nicht so sehr liebte und mir heute noch manchmal vorwirft, was für Alpträume und schlaflose Nächte sie deswegen durchstehen müsste. Da meine Schwester auch noch Anna heißt, weiß ich jetzt schon, dass dieses Buch nichts für sie wäre, während ich schon dem Titel nicht widerstehen konnte. Beworben als klassische Junge-trifft-Mädchen, Mädchen-tötet-Leute-Geschichte, schraubte sich Anna Dressed in Blood ganz nach oben auf meine Das-muss-ich-lesen-Liste, auch wenn es bedeutete, zwei Wochen länger auf die Buchbestellung, in die ich meine Steuerrückzahlung umgewandelt hatte, warten zu müssen, weil ausgerechnet dieser Titel gerade nicht lieferbar war. Das Paket kam, endlich, ich fing an zu lesen, und da, als ich mitten in der Nacht die Zimmertür meines Freundes gehen hörte, laut schrie, als mir der dunkle Schatten im Flur entgegen kam, denke ich, als Gruselroman hat dieses Buch seinen Zweck sicher gut erfüllt. Und doch, es krank an den verschiedensten Stellen, und ein richtig gutes Buch ist es sicher nicht geworden.

Schon von der Prämisse her klingt die Geschichte so sehr nach der Fernsehserie Supernatural, dass ich geneigt bin, an einen Abklatsch zu glauben. Cas jagt Geister wie sein Vater vor ihm und alle anderen Vorfahren, und da ein namenloses Übel vor zehn Jahren den Vater zerfleischt hat, war der Junge gezwungen, schon als Teenager dem Ruf des Blutes zu folgen und sein Erbe anzutreten.… Weiterlesen “Kendare Blake: Anna Dressed in Blood”

bookmark_borderAlyssa Brugman: Zeig dein Gesicht

Vielleicht hätte ich dieses Buch besser nicht gelesen. Es betrifft mich inhaltlich zu sehr, und vieles aus meiner Jugend kocht wieder hoch, vor allem folgende symptomatische Anekdote: Ich war fünfzehn Jahre alt und bummelte mit meiner besten Freundin durch die Stadt. Bis sie plötzlich zu mir sagte: »Du, macht es dir was aus, gerade mal eben auf die andere Straßenseite zu wechseln? Da kommen ein paar Freunde von mir, und die sollen mich nicht mit dir sehen.« – Was sollte ich tun? Ich gehorchte, ohne zu widersprechen. Sie war meine einzige beste Freundin, und ich konnte mir nicht erlauben, sie zu verlieren. Sollte ich mich nicht sogar geehrt fühlen, dass sie sich überhaupt mit mir abgab? Aber das tat ich nicht.

Zeig dein Gesicht ist die Geschichte einer solchen Freundschaft. Ein sensibles Buch, das ein sensibles Thema anrührt: Cliquenbildung und Schulhofmobbing. Ein Buch, das aufrütteln und sensibilisieren will. Es richtet sich an die Täter, nicht an die Opfer. Es ist nicht für mich geschrieben. Und ich hätte es auch besser nicht gelesen.

Hippe Cliquen-Queen freundet sich mit dem meistgehassten Freak der Schule an, bringt ihre Clique gegen sich auf und verrät die Freundschaft zugunsten des Status Quo – so lässt sich die Handlung schnell auf den Punkt bringen. Megan Tuw, die Heldin und Icherzählerin, macht es einem mit ihrer oberflächlichen blasierten Art nicht leicht, sie zu mögen – es wird aber schnell klar, dass sie im Vergleich zu ihren noch oberflächlicheren, blasierteren Freundinnen noch so eine Art »gute Zicke« darstellt, eingebettet in ein liebe- und verständnisvolles Fortschrittselternhaus.… Weiterlesen “Alyssa Brugman: Zeig dein Gesicht”