bookmark_borderMargo Kelly: Unlocked

Ich war schon über dreißig, als bei mir die erste Psychose diagnostiziert wurde. Ob sie zustande kam, weil ich drei Tage und Nächte nicht geschlafen hatte, oder ob ich drei Tage und Nächte nicht schlief, weil ich eine Psychose hatte, kann ich nicht sagen, aber es ging über Schlaflosigkeit und Erschöpfung weit hinaus. Ich hörte Stimmen. Ich roch Dinge, die nicht da waren. Ich war der festen Überzeugung, mein linker Arm wäre ein implantiertes Fremdorgan. Der Nervenarzt verschrieb mir ein Antipsychotikum. Auf dem Beipackzettel stand »zur Behandlung von Schizophrenie.« »Heißt das, ich bin schizophren?«, fragte ich. Mein Arzt meinte, so eine Diagnose könnte man schlecht nach nur einer Psychose stellen, aber es wäre möglich, auch wenn ich schon ein bisschen alt für einen ersten Ausbruch wäre. Aber das Medikament schlug an, die Psychose ging nach ein paar Tagen wieder, und alles war gut-

Mehrere Psychosen später lebe ich mit der Diagnose »Schizo-Affektive Psychose« – das ist, sinngemäß, Schizophrenie plus Depressionen. Meine letzte Psychose ist Jahre her. Ich nehme meine Antipsychotika regelmäßig, die Depressionen machen mir im Schnitt mehr Probleme, aber unterm Strich lebe ich doch ein vollwertiges, erfülltes Leben. Das war jetzt ein langer Exkurs, wo ich eigentlich ein Buch rezensieren will, aber mir war diese Vorbemerkung wichtig, damit klar ist, warum dieses Buch, Unlocked von Margo Kelly, mich derart zornig machen konnte. So zornig, dass ich jetzt gegen einen meiner Rezensentengrundsätze verstoßen und Sachen aus der Auflösung des Buches spoilern werde, denn es muss sein, um meine Kritik verständlich zu machen.… Weiterlesen “Margo Kelly: Unlocked”

bookmark_borderSara Gruen: Water for Elephants

Mein Verhältnis zum Zirkus ist gespalten. Ich mag nicht die Umstände, unter denen dort Tiere gehalten werden – selbst Zooanlagen aus dem neunzehnten Jahrhundert scheinen da noch artgerechter zu sein – und die Art, wie massiv einige Zoos in Fußgängerzonen um Geld betteln, immer mit der Mitleidsmasche, dass sonst die Tiere hungern müssen… Wirklich, wenn ich einen Clown mit einem Pony sehe, mache ich einen großen, großen Bogen darum. Auch für die klassische Zirkusromantik bin ich nicht zu gewinnen, zumindest heute nicht mehr – als Kind bin ich zu Karneval begeistert als Seiltänzerin und Dummer August gegangen, und die allererste Geschichte, die ich im Alter von sieben oder acht Jahren zu schreiben begonnen habe, handelte von einem Zirkus, entflohener Löwe inklusive. So sehr mich auch die Schicksale der Freak in den Sideshows interessieren, für die gefeierte Serie Carnivale konnte ich mich nicht begeistern, und die Aussicht, ein Buch zu lesen, das von einem Zirkus zur Zeit der Weltwirtschaftskrise handelt, hätte mich ebenso wenig angesprochen. Und doch habe ich mir genau das gekauft, und es gelesen, mit Freude.

Was mich geködert hat, waren die Elefanten. Ich liebe Elefanten. Sicher, ich habe eine ganze Reihe von Lieblingstieren, Goldhamster und Axolotl und Quallen, aber die größte Faszination üben Elefanten auf mich aus – ihre Größe. ihre Intelligenz, ihr Sozialverhalten, und ihre Schicksale. In der Wikipedia, deutsch wie englisch, habe ich jeden einzelnen Artikel der Kategorie ‘Individueller Elefant’ verschlungen. Zoo- und Menagerieelefanten, gequält und bewundert und kaum totzukriegen. Elefanten, die als Mörder hingerichtet oder während einer Belagerung mit Hungersnot geschlachtet und gegessen wurden – Jumbo, Castor und Pollux, Chunee, Topsy, Tuffi, und natürlich Birma und Mapalay, die Elefanten meiner Kindheit.… Weiterlesen “Sara Gruen: Water for Elephants”