Rosamund Hodge: What Monstrous Gods

Üblicherweise, wenn meine monatliche Lieferung aus der »Locked Library« eintrifft, freue ich mich über ein besonders schönes Exemplar von Buch, mit ansprechendem Cover und bezauberndem Farbschnitt. Aber die Sendung aus dem März dieses Jahres stellte sich als herbe Enttäuschung heraus. So ein hässliches Buch hatte ich lang nicht mehr gesehen: Da prangte auf dunkelviolettem Cover eine einzelne schmutzig-gelbe Rose, und der Farbschnitt griff das gleiche Motiv auf. Und dazu sollte das Buch auch noch, das hatte ich dem Teaser auf Instagram entnommen, ein Trope bedienen, das gerade topmodern ist, mich aber überhaupt nicht anspricht: »Enemies to Lovers«, ausgerechnet.

Ich mag Bücher, in denen Feinde zu Geliebten werden, nur unwesentlich mehr als Bücher, in denen Geliebte zu Feinden werden; ich habe wenig Spaß daran, wenn zwei Leute sich seitenlang angiften und am Ende doch miteinander in der Kiste landen, und so wollte ich What Monstrous Gods schon ins Regal stellen und den März als Reinfall verbuchen – aber etwas aus dem Klappentext bewegte mich dann doch, das ach so unattraktive Buch eines zweiten Blickes zu würdigen. Die Heldin und ihr Love Interest sind nicht einfach nur verfeindet – sie hat ihn umgebracht, und jetzt ist es sein Geist, der ihr das Leben schwermacht und sich den Tod. So, wie das klang, war sie nicht irgendeine Jungfer in Nöten, sondern eine ausgebildete Attentäterin, und vielleicht war das Buch vielleicht doch wert, mal reinzulesen …

So kam es, dass ich, trotz meiner ersten Abneigung, What Monstrous Gods doch gelesen habe. Und es hat mir im Großen und Ganzen gefallen. Also ein Fall von »Enemy to Lover«? Ganz so weit möchte ich nicht gehen. Dafür habe ich dann doch noch zu viel an dem Buch auszusetzen. Aber ich muss die Tage, die ich mit diesem Buch verbracht habe, nicht bereuen, auch wenn es dann doch eine ganz andere Geschichte war, als ich erwartet hatte. Lia, die Hauptfigur, ist nämlich mitnichten die ausgebuffte Auftragsmörderin, mit der ich gerechnet hatte – sie ist Novizin in einem Nonnenkloster und kann es nicht abwarten, ihren Eid abzulegen. Bevor sie das darf, gibt es nur eine Kleinigkeit zu erledigen: Sie muss das Land retten, oder zumindest das Königshaus, das seit fünfhundert Jahren hinter einer undurchdringlichen Dornenhecke schläft, und damit die Götter zurückholen.

Wir haben es hier nicht mit einer klassischen Märchenneuerzählung zu tun, aber das hält Autorin Hodge nicht davon ab, sich erstmal großzügig bei Dornröschen zu bedienen. Und so schiebt sich die mit der Königlichen Gabe gesegnete Lia ziemlich antiklimatisch durch die Dornen, die noch jeden umgebracht haben, der es versucht hat, marschiert durch das schlafende Schloss, findet dort den ketzerischen Zauberer Ruven, der Schuld an der ganzen Misere ist, und wir sind noch nicht auf Seite fünfzig angekommen, da ist der Zauberer tot und das Schloss erlöst, und wirklich, ich hatte mir mehr erhofft: Die ganze Rettungsaktion war so arg unspektakulär, dass es schwer zu glauben ist, wie das fünfhundert Jahre dauern konnte. Alles, was Lia auf dem Weg durch die Dornen widerfährt, ist, dass sie sich über ein Skelett erschrickt, und das war es auch schon mit der Todesgefahr.

Und doch habe ich weitergelesen. Zu dem Zeitpunkt gefielen mir nämlich zwei Dinge: Der zynische Zauberer, der sich nach fünfhundert Jahren in der Isolation das aus der Zeit geschobenen Schlosses zwar als gutaussehender Jüngling entpuppt, optisch nur die üblichen zwei, drei Jahre älter als die siebzehnjährige Lia, aber hinreichend angeranzt, um mein Herz zu erobern. Das andere, was mich positiv überrascht hat, war der Weltenbau. Bevor wir nämlich Icherzählerin Lia überhaupt kennenlernen, gibt es eine kleine Abhandlung über die verschiedenen Götter von Runakhia einer surrealistischer als der andere, und die abgefahrenen Arten, wie ihre Heiligen zu Tode kommen, und plötzlich habe ich mich an die Legenden aus den Sieben Zitadellen erinnert gefühlt und wollte wissen, was es mit dieser Welt auf sich hat. Und dafür ertrage ich sogar ein Buch, das in der ersten Person Präsenz, sicher nicht meiner bevorzugten Erzählperspektive, geschrieben ist.

Ich hatte nach dem Klappentext und der religiösen Einführung ein mittelalterliches Setting erwartet, aber da wurde ich eines Besseren belehrt: Die Welt hat nicht nur ihre Götter verloren und weitgehend den Glauben an sie, sondern den technischen Fortschritt eines späten 19. Jahrhunderts zu bieten, und das war erst einmal ein kleiner Kulturschock für mich – wenn auch nicht halb so groß wie das, was die Königin und ihre Kinder erwartet, als die aus ihren fünfhundertjährigen Schlaf erwachen. Retterin Lia wird gefeiert und prompt mit Prinz Araunn verlobt, um sie für ihre Heldentat zu belohnen. Und so erfährt die verhinderte Nonne, dass es tatsächlich für sie nie zur Debatte stand, den Schleier zu nehmen: Wer die Königliche Gabe hat, muss entweder ins Königshaus einheiraten oder getötet werden. Das haben die lieben Nonnen der Heilungsgöttin Nin-Anna ihr geflissentlich verschwiegen, und so nimmt Lia das Verlöbnis als kleineres Übel hin.

Nächster Schritt: Die Götter wecken, Pakte mit ihnen schließen und sie dazu bringen, neue Heilige zu erschaffen. Und das liegt Lia wirklich am Herzen, scheint doch nur eine Heilige der Nin-Anna der Roten Pest, an der Lias Familie gestorben ist, ein Ende setzen zu können. So beginnt an der Seite ihres Prinzen und dessen Schwester eine Art Road Movie von Schrein zu Schrein, begleitet vom Geist des ermordeten Zauberers, der keine Ruhe findet und Lia das Leben schwer macht – und dass die beiden sich dann tatsächlich ineinander verlieben, ist so an den Haaren herbeigezogen, wie ich das erwartet hatte. Denn tatsächlich haben beide gute Gründe, den anderen zu verabscheuen: Ruven Lia, weil sie ihm unspektakulär die Kehle durchgeschnitten hat, und Lia Ruven, weil der ihr den Pakt mit der geliebten Göttin der Heilkunst verhagelt und sie notgedrungen ausgerechnet mit der Göttin des Todes paktieren muss.

Dabei habe ich auch selbst große Probleme, Lia irgendwie syRmpathisch zu finden. Nicht nur ist sie ein weinerlicher Teenager, sie ist neidisch auf andere und religiös verbohrt, vor allem aber ist sie feige. So vieles von dem, was in dem Buch passiert, tut das, weil Lia ihren eigenen Hals retten will. Paktieren mit einer Göttin, die für alles steht, was Lia verabscheut? Klar, wenn es ihr die Haut rettet, denn ohne Götterpakt wird sie umgebracht, und auch, wenn sie keine Wunder wirkt. So lügt und paktiert sich Lia quer durch Runakhia, immer in der Defensive, immer reagierend statt agierend, alles, um am Leben zu bleiben – und ja, das ist durchaus glaubwürdig als Charakterzeichnung, aber es macht sie nicht sympathisch, und von einer Fantasy-Romanze erwarte ich grundsätzlich, dass man die Hauptfiguren mögen kann, genug, um ihnen die große Liebe zu wünschen. So tut mir vor allem Ruven leid, der tot ist und den niemand außer ausgerechnet Lia sehen kann, und dass er sich dann in sie verliebt … ist das die große Liebe? Oder mehr eine Form von Stockholm-Syndrom?

So haben mich einige Sachen in diesem Buch unangenehm berührt, zum Beispiel, wenn wieder und wieder beschrieben wird, wie Lia die Haut ihrer Hände nach ihrem Pakt mit der grausamen Todesgöttin in aschigen Flocken zu Boden rieselt und ihre Finger zu hässlichen Krallen werden – während meine eigenen Hände nach einem ziemlich heftigen Neurodermitisschub genau das Gleiche zu tun scheinen. Das einmal zu beschreiben, hätte für mich ausgereicht, aber diese Hände werden wieder und wieder so wieder in ihrer Abscheulichkeit in den Focus gerückt, bis ich wirklich genug davon hatte.

Auch fraglich fand ich die Entscheidung der Autorin – selbst überzeugte Christin, die im Nachwort unter anderem dem Herrgott dankt – die den alten Göttern entgegengesetzte monotheistische Religion der Ketzer als eins-zu-eins Abklatsch des Christentums zu inszenieren, mit einem an einen Baum genagelten Heiland und einer Gottesmutter, der orthographisch leicht verfremdeter Name auch noch wie Maria ausgesprochen wird, und ich hatte über weite Teile des Buches die Befürchtung, dass Lia am Ende des Buches eine Epiphanie hat und zum Christen… ich meine natürlich Ketzertum konvertiert und ich dreihundertfünfzig Seiten lang einem missionarischen Machwerk aufgesessen bin. Aber das Ende, das die Geschichte dann nimmt, ist ein anderes – besser, als ich erwartet hatte, aber auch nicht ganz überzeugend.

Das größte Problem von What Monstrous Gods ist sein Tempo. Wichtige, eigentlich dramatische Entwicklungen werden so antiklimaktisch beiläufig abgefrühstückt wie die Erlösungsaktion am Anfang, nur damit sich Lia dann wieder seitenlangen Monologen hingeben kann und mit ihrem Schicksal hadern. Auch die endlosen Dispute mit Ruvens Geist – ohne die ein »Enemies to Lovers«-Roman offenbar nicht sein kann – haben mich in erster Linie ermüdet. Sie spielen sich in einer Art luftleeren Raums ab, immer dann, wenn der Rest der Handlung eine Pause macht, dadurch wollen auch die Gefühle nicht so recht überspringen. Auch die Tatsache, dass Ruven gut über fünfhundert Jahre alt ist und diese Zeit auch nicht im Tiefschlaf, sondern bei Bewusstsein verpasst hat, macht ihn für mich nicht zum passenden Love Interest für eine Siebzehnjährige, da kann er noch so knackig aussehen. Dass er außerdem tot ist, fällt da für mich gar nicht mehr ins Gewicht.

Wenn man das Buch aber nicht als Romanze liest, sondern als eine kritische Abrechnung mit dem blinden Glauben daran, dass früher alles besser war und die Götter es schon richten werden, wird es deutlich besser. Dann verzeihe ich auch der Hauptfigur ihren opportunistischen Charakter – für mich muss eine Figur nicht zwangsweise sympathisch sein, damit ich sie interessant finden kann, nur wünsche ich mir dann als Auflösung nicht unbedingt ein Happyend, und die Art, wie das Buch ausgeht – so hopplahopp wie immer, wenn in der Geschichte etwas passiert – vor allem die Frage, wie Lia aus dem Verlöbnis mit dem Prinzen rauskommen soll, hätte auch geschickter gelöst werden können. Nicht, dass der Schluss das Buch runtergezogen hätte, aber es wäre mehr drin gewesen.

Und was hat es jetzt mit der gelben Rose auf sich, die da so prominent auf dem Cover platziert ist und sich auch, wenn auch dezenter, auf anderen Ausgaben des Buches wiederfindet? Ehrlich, ich weiß es nicht. Mir sind im ganzen Buch keine gelben Rosen untergekommen. Natürlich, am Anfang ist da diese Rosenhecke, die Lia überwinden muss, und die Heiligen der Nin-Anna sterben an einem Fieber, während Blumen unter ihren goldenen Händen sprießen, aber sind diese Rosen ausgerechnet gelb? Habe ich da was verpasst? Auch jetzt, wo ich das Buch zu Ende gelesen habe, finde ich seine Aufmachung nicht besonders attraktiv. Aber man soll ein Buch ja nicht nur nach seinem Cover bewerten. Und was das angeht, hat mir What Monstrous Gods, mit Einschränkungen, doch ganz gut gefallen. Kommt »Enemies to Lovers« jetzt auf die Liste meiner Lieblingstropes? Sicher nicht. Aber es ist auch kein Grund mehr, ein Buch komplett zu meiden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert