bookmark_borderAllen Houston: Nightfall Gardens

Sagte ich in meiner Rezension zu Fürimmerhaus »Ein Haus kommt selten allein»? Hier kommt auch schon das nächste: ein durchaus spannender  Abenteuerroman für Kinder, in dem das gruselige, tagstäglich seine Form verändernde Haus in Sachen Spukfaktor nur hinter seinen drei Gärten zurücktreten muss. Nightfall Gardens von Allen Houston kommt als der Auftakt einer Trilogie daher – tatsächlich ist es aber nur ein Buch, das der selbstpublizierende Autor in drei Teilen veröffentlicht hat. So endet es nicht mit einem geschlossenen Handlungsbogen, auch nicht mit einem Cliffhänger, es hört einfach auf, und das ist ziemlich antiklimaktisch für ein ansonsten spannend geschriebenes Buch.

Die Geschwister Lily und Silas Blackwood tingeln mit ihren Eltern und einem Repertoire grottiger selbstgeschriebener Theaterstücke über die Provinzbühnen, immer auf der Flucht vor der Vergangenheit ihrer Familie, die sie in Form ihres Onkels dann natürlich trotzdem einholt. Dieser Jonquil besteht darauf, dass die Familie, zumindest aber Lily, auf den Stammsitz der Blackwoods zurückkehren, denn die Großmutter, die letzte Herrin von Nightfall Gardens, liegt im Sterben, und wenn ihr nicht eine weibliche Nachfahre nachfolgt, wird das Böse über die Welt hereinbrechen. Und weil das als Argument offenbar nicht ausreicht, kidnappt der Onkel prompt die Nichte, der Bruder reist als blinder Passagier mit, und so werden Lily und Silas, nicht ohne einen blutigen Zusammenstoß mit gewalttätigen Ziegenmenschen, die aus dem hauseigenen Labyrinth ausgekommen sind, nach Nightfall Gardens gebracht.

Dort trennen sich die Wege der ungleichen Geschwister dann auch schon wieder. Lily kommt ins Haus, um von ihrer sterbenden Großmutter noch im Schnellverfahren zu lernen, was es über den Widerstand gegen die großen Übel zu wissen gibt, während Silas dem Gärtner unterstellt wird und mit den hauseigenen Nebelreitern, deren Anführer Jonquil ist, im Nebengebäude untergebracht wird.… Weiterlesen “Allen Houston: Nightfall Gardens”

bookmark_borderAndrew S. Chilton: The Goblin’s Puzzle

Über manche Bücher stolpert man auf ungewöhnlichem Weg. Vor einigen Jahren landete ich über das Writer Beware-Blog auf der Webseite eines betrügerischen Literaturagenten, von da aus surfte ich weiter zu einer anderen amerikanischen Literaturagentur, und um zu schauen, wie seriös oder nicht die sein könnte, warf ich einen Blick auf ihre erfolgreich vermittelten Titel – und stieß dort auf ein Buch, das so interessant aussah, dass ich es mir postwendend kaufte. Schon der Titel klang vielversprechend. The Goblin’s Puzzle: Being the adventures of a boy with no name and two girls called Alice – das war doch schon mal sehr ansprechend, und als ich dann auch noch im Klappentext las, dass es sich um eine Verwechslungsgeschichte handelt, in welcher der Drache die falsche Maid raubt, war mir klar, dass ich es haben musste.

Und dann, wie so oft, wanderte das Buch ins Regal, und ich schaute es mehr als fünf Jahre lang nicht mehr an, bis es mich jetzt angesprungen hat. Die Lektüre von Furthermore hatte mir vor Augen gerufen, wie viele Jugendbuchheldinnen doch Alice heißen, und hier hatte ich nicht nur eine, sondern gleich zwei Namensträgerinnen – und so nahm ich mir The Goblin’s Puzzle als nächstes vor, und ich muss sagen, es war ein angenehmes, gut zu lesendes Stück Jugendliteratur. Am Anfang bin ich noch über eine in meinen Augen unnötig brutale Szene gestolpert, aber das hat sich zum Glück nicht durch das ganze Buch gezogen, und ich denke, es ist ein durchaus empfehlenswertes Buch für Kinder ab zehn bis zwölf Jahren, die Märchen und Logik mögen.… Weiterlesen “Andrew S. Chilton: The Goblin’s Puzzle”

bookmark_borderTahereh Mafi: Furthermore

Seit ich im Alter von siebzehn, achtzehn Jahren Alice‘s Adventures in Wonderland zum ersten Mal auf Englisch gelesen habe – und verstanden, dass die uninsprierte Übersetzung, die ich als Kind gelesen hatte, dem Buch in keiner Weise gerecht wurde – ist das eines meiner absoluten Lieblingsbücher, und ich bin immer auf der Suche nach Kinderbüchern, die es damit aufnehmen können, die Wortwitz und Philosophie miteinander verbinden, vielleicht auch noch ein bisschen Humor mitbringen, und das ganze auch noch in schöner, poetischer Sprache: Solche Bücher gibt es, doch sie sind selten.

In  Catherynne M. Valentes Buch The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making hatte ich einen würdigen Titel gefunden, es mit Alice aufzunehmen, zauberhaft und so zerbrechlich wie Herbstlaub, doch das hieß nicht, dass meine Suche da ein Ende gefunden hatte. Im Gegenteil: Von solchen Büchern kann ich gar nicht genug bekommen. Und als ich über Furthermore, ein Kinderbuch der iranisch-amerikanischen Autorin Tahereh Mafi stolperte, hoffte ich, das nächste Alice‘eske Kleinod gefunden zu haben. Ich wollte dieses Buch so sehr lieben, die Geschichte der im Wortsinn farblosen Alice, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Vater ein wundersames Land bereist, doch diesmal wurde ich nicht gänzlich überzeugt.

Wo mit Carrolls Alice und Valentes September kleine Mädchen aus der wirklichen Welt in eine Phantastische reisen, stammt Mafis Heldin – die, was mich etwas gestört hat, ebenfalls Alice heißt: Hier wäre etwas Eigenständigeres als die direkte Hommage besser gewesen – selbst schon aus einem magischen Land, und auch wenn in Ferenwood die Magie anders angewandt wird als in Furthermore, wirkt es doch wie die schwächere Kulisse, weil der Kontrast zu gering ist.… Weiterlesen “Tahereh Mafi: Furthermore”

bookmark_borderJohn und Carole E. Barrowman: Hollow Earth

John Barrowman kenne ich als Schauspieler aus den Serien Doctor Who und Torchwood, und was ich von ihm da und in TV-Interviews gesehen habe, gefiel mir immer sehr gut – als ich dann gesehen habe, dass er auch Bücher schreibt, wurde ich neugierig. Zusammen mit seiner Schwester Carole E., einer Autorin und Lehrerin für Kreatives Schreiben, hat er für Kinder die Hollow Earth-Reihe geschrieben, deren ersten Band ich mir kurz nach ihrem Erscheinen 2012 angeschafft habe. Wie so oft bei mir, hat es über zehn Jahre gedauert, bis ich das Buch dann auch gelesen habe – aber ein Vergnügen war es nicht. Hollow Earth, das ich innerhalb von drei Tagen runtergelesen habe, mag spannend sein, aber seine Rollenbilder sind so angestaubt, dass es sich wie ein deutlich älteres Buch  angefühlt hat, und alles in allem hat das Buch den literarischen Nährwert eines durchweichten Pappkartons, hohl wie die Welt, die es dort zu entdecken gilt.

An der Prämisse liegt es nicht: Die Zwillinge Matt und Em haben eine so überbordende Phantasie, dass sie ihre eigenen Gemälde zum Leben erwecken können – das ist ein echt schöner Aufhänger für ein Buch für Acht- bis Zwölfjährige. Dachte ich. Aber nicht nur war das Buch eine herbe Enttäuschung, ich würde es auch keinem achtjährigen Kind in die Hände geben wollen, so grausam sind viele Szenen in dem Buch. Und dass ich mit meinen achtundvierzig Jahren nicht die Zielgruppe bin, lasse ich nicht stehen – ein gutes Kinderbuch bietet immer auch für Erwachsene etwas.… Weiterlesen “John und Carole E. Barrowman: Hollow Earth”

bookmark_borderCatherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making

Manchmal, in ganz besonders kostbaren Momenten, hat man ein schlechtes Gewissen für jedes Wort, um das eine Rezension länger ist als »Lies dieses Buch! Sofort!«, weil man so den Leser von der Lektüre dieses Kleinods abhalten könnte – da ist jede Sekunde zu viel, da muss der Leser sich sofort drauf stürzen wie ein Verhungernder auf ein Fischbrötchen und es dann mit jeder Zelle seines Körpers und Gehirns verschlingen, lesen und genießen. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making ist so ein phantastisch gutes Buch, und hier fühlt sich schon der Titel zu lang an, steht wie ein Hindernis zwischen Leser und Buch: Wieviel schneller könnte man sich doch darüber hermachen, wäre der Titel nur ein wenig kürzer! Und doch muss dieser lange Titel sein, und ist dieser lange Titel selbst schon ein Vorgeschmack auf das Innere des Buches, bild- und wortgewaltig und so schön, dass man davon weinen muss. Für mich gehört dieses Buch in eine Reihe mit einem meiner absoluten Lieblingsbücher, Alice’s Adventures in Wonderland, und es darf neben ihm stehen und muss sich nicht dahinter verstecken, so gut, so großartig ist es.

Alles an diesem Buch ist toll. Wie es in der Hand liegt, wie es sich anfühlt, der Schriftsatz, die wunderschönen Illustrationen… Noch bevor ich auch nur ein Wort gelesen hatte, hoffte ich, dass auch der Inhalt mitspielen würde: Dass ich ein neues Lieblingsbuch gefunden hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making hat einfach alles, und es ist für alle, für Kinder wie Erwachsene, für Romantiker und Satiriker, und es ist eines von der Sorte, die man ganz, ganz oft lesen kann.… Weiterlesen “Catherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making”

bookmark_borderJohn Stephens: The Emerald Atlas

Dieses Buch kam ungeplant: Bei der Rückreise von einer Convention in New Jersey kamen wir früh – viel zu früh – am Flughafen Newark an, und erst nach dem Einckecken unseres Gepäcks ging mir auf, dass ich damit auch alle meine Bücher aufgegeben hatte, im Handgepäck war nur mein Laptop und das Schreibzeug. Doch jeder gutsortierte Flughafen hat eine Buchhandlung, die auf begrenztem, teuer bezahltem Raum zumindest die aktuellen Bestseller vorrätig hat. Eigentlich suchte ich nach einem handlichen Taschenbuch, aber statt dessen sprach mich ein hübscher Hardcover-Band an, mit smaragdgrünem Schutzumschlag und dem ansprechenden Titel The Emerald Atlas. Dazu klang der Klappentext nett, und überteuert erschien das Buch auch nicht: Also, es wurde gekauft, und da wir die nächsten drei Stunden mit multiplen Tassen Kaffeespezialitäten in einem Starbucks verbrachten, hatte ich auch schon das halbe Buch durch, bevor ich auch nur im Flugzeug saß. Und dabei blieb es erstmal. Ich kann im Flieger weder lesen noch schreiben.

Und nach der Rückkehr dauerte es eine Weile, bis ich wieder in das Buch hineinkam. Was mich in Newark noch mehr oder weniger begeistert hatte, wurde bald zu erst einem zähen und dann zu einem ärgerlichen Stück Jugendliteratur. Erst einmal stellte sich der Klappentext jenseits des Jetlags als doch ziemlich konventionell heraus: Drei Kinder verlieren auf mysteriöse Weise ihre Eltern, werden von Waisenhaus zu Waisenhaus gereicht, landen am Ende in einem unheimlichen Herrenhaus und werden in ein phantastisches Abenteuer verwickelt, das darauf hinausläuft, dass sie die Welt retten müssen. Das wäre jetzt per se nicht so schlimm, wenn das Buch dafür gutgeschrieben wäre oder zumindest gut geplottet, aber an letzterem scheitert The Emerald Atlas dann.… Weiterlesen “John Stephens: The Emerald Atlas”

bookmark_borderPhilip Ardagh: Awful End

Nachdem ich mich mit dem Yak-Buch der humoristischen Kinderliteratur zugewandt hatte, fiel mir ein weiteres Buch ein, das ich mir irgendwann im letzten Jahr angeschafft habe und, obwohl es ziemlich dünn ist, nie zu Ende gelesen. Nach einigem Suchen tauchte es unter dem Regal auf, wo es unbemerkt hin gerutscht war, so dünn war es, und eine gute Stunde später hatte ich es dann auch gelesen. Aber damit fangen meine Probleme erst an: Ich habe kein Problem damit, ein Buch von 136 Seiten zu rezensieren, aber wenn es dann keine Handlung hat, wird es doch etwas schwieriger. Trotzdem, ich will es versuchen – schließlich kann ich Awful End mit einem der großartigsten Kinderbücher aller Zeiten vergleichen. Und genau das werde ich tun.

Gestoßen bin ich auf dieses Buch über ein anderes Werk des Autors Philip Ardagh, das ich in Kanada in einer Wühlkiste gestoßen bin, und da es mir The Not-So-Very-Nice Goings On at Victoria Lodge ausgesprochen gut gefallen haben – ich würde es rezensieren, aber es hat noch weniger Handlung als dieses jetzt und ist ohne seine Illustrationen noch nicht einmal zu beschreiben – wollte ich wissen, was dieser Mann von feinem Humor noch an Werken auf den Markt gebracht hat. So kam ich auf die Eddie Dickens-Trilogie, und auch wenn ich kurz davorstand, mir gleich alle drei Bücher auf einmal zu bestellen, habe ich es dann doch beim ersten Band beruhen lassen. Und darüber bin ich letztlich froh. Denn auch wenn der Autor so viel Wortwitz hat, dass man für die deutsche Übersetzung immerhin den großen Harry Rowohlt gewinnen konnte, und auch wenn das Buch illustriert ist von David Roberts, dessen witzige Zeichnungen mich an Tony Ross erinnern, ist es am Ende doch weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben.… Weiterlesen “Philip Ardagh: Awful End”